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Über den Klettersteigschein in der Region Ramsau am Dachstein

Ein „K-Schein“ für die Berge

• 29. Juni 2015
3 Min. Lesezeit

Mit dem gegenwärtigen Klettersteig-Boom nimmt auch die Zahl der Unfälle und Verletzten zu. Die Region Ramsau am Dachstein trägt diesem Trend mit einem schnellen Basiskurs für Einsteiger Rechnung. Alpinsportexperten diskutierten über die Sinnhaftigkeit des Klettersteigscheins.

Kletterer am Klettersteig
Foto: www.photo-austria.at / Herbert Raffalt
Kletterer am Klettersteig
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Das Klettersteiggehen gehört seit Jahren zu den Boom-Sportarten im Outdoorbereich. Je mehr Neueinsteiger sich jedoch in alpines Terrain wagen, desto mehr Unfälle passieren, wie Statistiken des Kuratoriums für Alpine Sicherheit belegen. Gegenwärtig verunglücken rund 150 Menschen pro Jahr auf österreichischen Klettersteigen (zum Vergleich: vor zehn Jahren waren es noch rund 45), etwa sechs davon tödlich. Während es sich bei den tödlich Verunglückten hauptsächlich um erfahrene Klettersteignutzer handelt, die mangelnde Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, sind bei den Verletzungsunfällen primär Anfänger und Unerfahrene betroffen. Hauptunfallursache ist laut Daten Erschöpfung als Folge von Selbstüberschätzung und schlechter Tourenplanung, gefolgt von mangelnder Trittsicherheit.

Um solchen Unfällen vorzubeugen, bietet die Region Ramsau seit dem Vorjahr den ersten Klettersteigschein Österreichs an – ein kurzer Intensivkurs, der Anfängern die Grundlagen des Sports näherbringt. Neben einem Theorieteil beinhaltet der Kurs auch die Begehung eines Klettersteigs. Das Angebot wird von den Gästen gut angenommen, wie Elias Walser vom Tourismusverband Ramsau erklärt: „Wir hatten letztes Jahr fast 500 Anmeldungen, so gut wie jeder Kurs war ausgebucht.“

Besser Crashkurs als gar nichts

Doch kann ein Crashkurs wirklich eine fundierte alpine Grundausbildung ersetzen? Diese Frage stellte Bergwelten-Chefredakteur Andreas Kornhofer im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Presseclub Concordia einer Runde von Experten aus dem Alpinsport. Friedrich Macher vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV) ist etwas skeptisch, begrüßt es aber, wenn sich Interessierte zumindest informieren, bevor sie in die Berge gehen: „Wir alle wissen, es geht oft ums kleinere Übel. Und bevor jemand völlig blank auf einen Berg rennt, ist es mir lieber, es gibt diese Kurse als Orientierungshilfe.“ Ähnlich sieht das auch Reinhard Kraxner, der Leiter der ÖAMTC Flugrettung: „Mir ist es lieber, jemand beschäftigt sich ein bisschen damit und erlernt die Grundlagen, bevor er unbedarft in den Klettersteig geht.“ Allerdings rücken er und seine Mannschaft relativ selten zu Flugeinsätzen im Zusammenhang mit Klettersteigen aus: „Wir fliegen pro Jahr rund 2000 Einsätze in Österreich und nur etwa 20 davon betreffen Klettersteige.“

Kein vollwertiger Ersatz zur umfassenden Ausbildung

Kritik am Schein-Modell kam hingegen von Bergführer und Extrembergsteiger Christian Stangl, der als „Skyrunner“ international bekannt wurde. Er befürchtet, dass die schnelle Ausbildung eine trügerische Sicherheit suggerieren könnte: „Der Klettersteigschein ist ja kein Führerschein, keine verpflichtende Lizenz, die eine umfassende Ausbildung bedeutet. Das muss den Leuten klar sein.“ Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit würde sich ebenfalls längere und profundere Ausbildungen wünschen, sieht das Ramsauer Angebot aber positiv, da es die Gäste sensibilisiere: „Jahrelang haben wir dem Tourismus vorgehalten, dass er nur die schönen Bilder zeigt, ohne auf die Gefahren hinzuweisen. Daher sind wir froh dass die Ramsau sich engagiert.“

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Klettersteig-Schein und Haftung

Der Klettersteig-Schein wirft auch eine spannende versicherungstechnische Frage auf: Können aus der erworbenen Qualifikation Haftungen abgeleitet werden? Laut Johannes Rumpl von der UNIQA-Versicherung sei das nicht der Fall. Letzten Endes solle der Klettersteig-Schein in erster Linie ein Risikobewusstsein schaffen, meint Friedrich Macher vom ÖAV: „Die Gesellschaft hat sich gewandelt, man sucht den schnellen Kick. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Menschen klar zu machen, dass es in den Bergen gefährlich sein kann.“ Auch Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit hält den Schein aus der Ramsau für grundsätzlich gut – er regt aber an, das Kursangebot noch auszubauen.

Genau das hat die Region Ramsau als Klettersport-Ziel mit langer Tradition auch vor. Im Sommer 2015 wird erstmals auch ein Grundkurs für Familien mit Kindern angeboten, sagt Elias Walser vom Tourismusverband. Spezielle Klettersteige für Kinder gibt es mittlerweile einige, nicht nur in der Ramsau. Dass der Klettersteig-Boom in den kommenden Jahren anhalten wird, darüber war man sich am Podium einig. In die Ramsau, wo der böhmische Geograf Friedrich Simony 1843 den ersten “Eisenweg“ der Alpen in den Dachsteinfels schlug, kommt bereits jeder zehnte Sommergast zum Klettersteiggehen. 
 

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Teilnehmer der Podiumsdiskussion
Foto: Tourismusverband Ramsau
Teilnehmer der Podiumsdiskussion

Infos zum Klettersteig-Angebot der Ramsau (und alle Termine für den Klettersteigschein) sind auf der Seite des Tourismusverbands zu finden.

Klettersteigtouren im gesamten Alpenraum bietet unsere Bergwelten Touren-Seite.
 

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