Das war unsere 24H Burgenland Extrem-Radtour
Foto: Martin Foszczynski
Katrin und Martin aus der Bergwelten-Online-Redaktion haben ihr Vorhaben durchgezogen und sind bei der 360 Kilometer-Extrem-Radtour Lakemania mitgefahren. Wie viele von den drei Runden um den Neusiedlersee sie geschafft haben und wie es ihnen dabei ergangen ist, schildern sie uns in ihrem Renn-Protokoll.
Wir starten bei der 24 Stunden Burgenland Extrem Tour!
Kilometer -68, Wien: Schlafen ohne Sorgen
Katrin: Mittwoch 22 Uhr 30, ich liege schon im Bett und fühle mich bestens vorbereitet: Alle Elektro-Geräte sind aufgeladen, die PowerBar-Muffins aus der Mikrowelle, Müsliriegel und Getränke eingepackt und ich habe heute Nachmittag sogar noch eine Trainingsfahrt absolviert. Das war allerdings auch die einzige. Überraschenderweise bereitet mir das keine Sorgen. „Wird schon gehen“, denke ich mir, drehe mich nochmal um und schlafe ein.
Kilometer -81, Niederösterreich: Schlaflos zum See
Martin: Es ist 4 Uhr morgens, ich liege im Bett und bin schon mitten im Kampf gegen die Uhr. Gegen den Wecker, um genau zu sein, denn ich habe bisher noch kein Auge zugemacht. In den wenigen Dämmerphasen fahre ich schon um den Neusiedlersee. Das schöne Mörbisch mutiert da zu Mordor und ich rolle nicht im Feld mit entspannten Radwanderern, sondern kämpfe gegen ein hochgezüchtetes Heer des Bösen. Als der Wecker um 7 Uhr läutet habe ich eigentlich schon verloren. Falsche Einstellung! Bei 24h Burgenland Extrem muss jeder sein individuelles Ziel erreichen. Meines lautet jetzt: Erstens, mit der Zahnbürste in den Mund hineintreffen. Zweitens, zumindest eine Runde um den See fahren.
Kilometer 0, Oggau: Hinterzimmer-Meeting
Martin: Michael Oberhauser, Veranstalter der Lakemania, steht auf einer Klappleiter und spricht über die Köpfe von rund 100 Radlern hinweg, die sich im Oggauer Gemeindeamt zum Biker-Briefing versammelt haben. Während ich Striezlscheiben mit Marmelade bestreiche und mit viel schwarzem Kaffee runterspüle, höre ich, dass wir trotz der mitgegebenen Notfall-Nummer und der drei Service-Fahrzeuge auf der Strecke letztlich selbst auf uns aufpassen müssen. Der See ist groß, man könne nicht überall sein. Klingt einleuchtend. Ich sehe mich im Saal um – bis auf zwei oder drei Damen sind nur sorgfältig in Softshell und Neopren verpackte Männer zu sehen. Wirklich cool, dass sich Katrin der Herausforderung stellt! Die ganze Szenerie wirkt wie das Hinterzimmer-Treffen von Pionieren – oder einfach nur Freaks. Hoher Abenteuerfaktor.
Kilometer 10, Mörbisch: Falsch abgebogen
Martin: Endlich im Sattel. Das tut gut, besonders, wenn man sich kaum auf den eigenen Füßen hält. Ich rolle mit Katrin locker und am Ende des Feldes über die ersten sanfthügeligen Kilometer. Die Sonne strahlt, die Temperaturen sind angenehm und ich wache im Fahrtwind langsam ein bisschen auf. Dass wir aber schon im zweiten Ort anstehen, ist ziemlich peinlich. Statt auf die rosa Bodenmarkierungen zu achten, haben wir uns zwei gemächlich, aber äußerst zielstrebig dahinstrampelnden Mountainbikern an die Fersen geheftet – und stehen plötzlich am Jachthafen von Mörbisch. Mit der Fahrradfähre nach Illmitz übersetzen und sich den ungarischen Teil der Strecke sparen, wäre natürlich zu billig. Also: die schnurgerade Seestraße wieder retour zum Neusiedlersee Radweg (B10). Die ersten Umweg-Meilen haben wir bereits auf dem Konto – womöglich schaffen wir ja die 360 Kilometer der Gesamtstrecke in einer, statt in drei Runden.
Katrin: „Ich kann mir echt nichts Entspannenderes vorstellen als Radfahren“, stellt Martin nach den ersten Kilometern fest. Naja, Entspannung sieht für mich anders aus, aber Spaß macht es bis jetzt allemal – zumindest bis wir in Mörbisch das erste Mal falsch abbiegen, was meiner Motivation einen gehörigen Dämpfer verpasst. Wie soll das bitte weitergehen, wenn wir uns schon auf den ersten Kilometern verfahren?
Kilometer 24, Fertörákos: Schnaufen in Ungarn
Katrin: Nach der österreich-ungarischen Grenze überraschen uns einige ganz schön steile Rampen und Feldwege. Na toll, damit habe ich in dieser Gegend nicht gerechnet und plage mich etwas ab – vielleicht war die eine Trainingsfahrt doch zu wenig? Doch wo es bergauf geht, darf man auch wieder runterdüsen. Das gefällt mir schon besser und ich nehme Schwung für die nächsten Kilometer mit.
Kilometer 38, Fertöhomok: Rast vor der Zahnpraxis
Martin: Nach Mörbisch kam Katrin ganz schön ins Schwitzen, hat sich aber brav über die Anstiege gerettet. Der Grenzübergang nach Ungarn war eher unspektakulär – vorbei an einer Wellblechbude, dann wieder Ratlosigkeit. Ein spazierendes Ehepaar weist uns den Weg: „Einfach da immer weiter, bis Pamhagen, dann seid’s wieder in Österreich“. Naja. Die ungarischen Radwege winden sich durch kleine Ortschaften, teils sind sie skurril verbeult, teils sehr gut asphaltiert. In Fertöhomok reiße ich in einer seltsamen Bahnübergangs-Schikane einen Stern und tätowiere mir das Muster des großen Zahnblatts in meine rechte Wade. Hätte auch schlimmer kommen können, z.B. mit Zahnverlust. Wobei: an Zahnpraxen mangelt es in diesem Teil Ungarns nicht. Vor einer davon legen wir auf einer Parkbank eine kurze Essens-Rast ein. Katrin packt das Tupper-Geschirr mit ihrer Geheimwaffe aus: Power-Bar-Schokomuffins, abends davor in der Mikrowelle gebacken. Keine Augenweiden, aber sehr nahrhaft!
Kilometer 56, Pamhagen: Arizona oder Apetlon?
Martin: Das Grenzgebiet bei Apetlon ist so abgeschieden und still, dass wir fast eine Herde von rund 100 Steppenrindern übersehen hätten! Sie starren uns entgeistert an – vermutlich sehen sie solcherlei bunte Vögel hier nicht oft, und heute gleich im Minutentakt. Ein Stück weiter wieder unendliche Ebenen. Links glitzert der See durchs Schilf, darüber zieht ab und zu ein Seeadler seine einsamen Kreise. Außer dem Geschnatter von Enten ist kein Mucks zu hören. Vor uns rollt sich der Radweg bis zum Horizont aus. Es könnte Nevada oder Arizona sein. Illmitz rückt irgendwie nicht näher. Dazwischen passieren wir auch noch den tiefsten Punkt Österreichs.
Kilometer 60: Runden-Halbzeit
Katrin: Nach 60 Kilometern erreichen wir mitten in der burgenländischen Steppe eine Bodenmarkierung, die uns darauf hinweist, dass wir die Hälfte der Runde geschafft haben – umkehren zahlt sich also nicht mehr aus. Martin erzählt mir einmal mehr, wie entspannend er das Radfahren findet, während ich überlege, was ich tun könnte, damit auf der zweiten Hälfte mein Hintern und meine Beine nicht mehr so wehtun. Ohne meine hochwertige Radhose wäre aber alles noch viel schlimmer, muntere ich mich auf (Danke, Gigasport!) und bis zur Labestation in Illmitz und der damit verbunden warmen Mahlzeit ist es ja auch nicht mehr weit.
Kilometer 63, Illmitz: Nudelsuppe und Kekse
Martin: Endlich was Warmes zu essen. Als wir das Informationszentrum betreten, machen sich gerade die letzten Radler wieder auf den Weg. Wir bekommen aber auch noch was – noch nie hat mir Packerl-Nudelsuppe besser geschmeckt. Ich verdrücke außerdem noch eine ganze Packung Bananenkekse und gönne mir einen Automatenkaffe und eine halbe Dose Red Bull.
Katrin: Wie viel Koffein kann ein Mensch eigentlich brauchen? Ich genehmige mir lieber eine Tasse Schwarztee. Suppe, Blätterteigstangen und Kekse tun den Rest, um mich wieder aufzubauen und die aufkommende Müdigkeit zu bekämpfen. Die Schmerzen in den Beinen sind wieder verschwunden und ich freue mich direkt auf die nächsten Kilometer. Weiter geht’s!
Kilometer 68, Illmitz: Durch die Hölle
Martin: Es ist dunkel geworden. Gut, dass uns Gigasport mit passendem Equipment für die Tour ausgestattet hat. Dazu gehört auch meine neongelbe Winterjacke, die selbst ein Mangalitzaschwein mit Zotten vor den Augen aus einem halben Kilometer Entfernung nicht übersehen könnte. Andererseits: für wen sollten wir hier überhaupt sichtbar sein? Wir fahren völlig alleine an Lacken und Schilfgürteln vorbei. Der Ortsteil „Hölle“ sieht im Dämmerlicht tatsächlich etwas zum Fürchten aus, und auch das im Sommer mit Badegästen zugepflasterte Strandbad von Podersdorf zieht als nebliges Nichts an uns vorbei. Die letzten 10 Kilometer bis Weiden geht es über einen mit Schlaglöchern übersäten, gatschigen Schotterweg. Immer wieder blicke ich mich um, doch Katrin bleibt tapfer dran und ich sehe stets ihr Frontlicht aus dem Dunklen leuchten. Manchmal auch zwei – vielleicht sollte ich beim nächsten Stop keinen Kaffee mehr trinken.
Katrin: Martin gibt ganz schön Gas seit der letzten Pause und auch ich bin topmotiviert und kann gut mithalten. Elegant weichen wir den Schlaglöchern und Pfützen aus, die nun in unseren Lichtkegeln auftauchen. Die nächste Station, den Mountainbiker am See in Weiden, erreichen wir schneller als ich dachte.
Kilometer 77: Frankfurter am See
Martin: Ein schneller Espresso an der Bar vom Mountainbiker am See in Weiden muss es dann doch sein. Mit Michi Hummel und seinen Shop-Kollegen plaudert es sich besonders nett. Sogar Frankfurter werden für uns gekocht. Michi hat sein Handy stets in Griffweite, koordiniert er doch die Service-Einsätze und repariert vor Ort kleine Wehwehchen an den Rädern der Lakemaniacs. Bis auf einen Platten gab es aber noch nichts zu tun, anders als im Vorjahr, als bei minus 10 Grad und Schnee einige Speichen und Schlüsselbeine brachen. Vor einigen Tagen war ich schon einmal hier, um mir mein nagelneues Specialized Crux abzuholen, das mir Michi dankenswerterweise als Test-Bike zur Verfügung gestellt hat. Ein für die Lakemania absolut perfekter und noch dazu äußerst schicker Crosser. Schade, dass ich ihn nach getaner Arbeit wieder abgeben muss.
Katrin: Eistee, Würstchen und nette Gespräche. Beim Mountainbiker am See wäre ich gerne noch länger geblieben. Etwas wiederwillig folge ich Martin ins Freie zurück zu unseren Rädern. Bis nach Oggau ist es aber nicht mehr weit. Nach einigen Metern entlang der Bundesstraße erreichen wir wieder den Radweg und bahnen uns unseren Weg weiter durch diverse Weindörfer.
Kilometer 95: Pfeile jagen
Martin: Es ist mittlerweile stockfinster. Unsere Lichtkegel bahnen sich am nördlichen Seeufer ihren Weg durch die burgenländische Nacht. Bis auf das ein oder andere Tier, das über die Fahrbahn huscht, sehen wir nur ein paar Quadratmeter Asphalt. Auf die rosa Pfeilchen achten wir jetzt besonders, sich um diese Uhrzeit zu verfahren wäre nur bedingt lustig. Es macht Spaß so durch die Nacht zu flitzen und jede Pfeil-Sichtung wird mit einem kurzen Jubel quittiert. Aber ich merke auch, dass bei Katrin (und mir selbst) langsam die Motivation nachlässt. Sie ist weiter mit einem Rad gefahren als je zuvor und ihre Füße werden langsam kalt. Zudem ziehen sich die Abschnitte zwischen den Ortschaften ewig und auf den Ortsschildern steht immer etwas Anderes als das erlösende „Oggau“.
Katrin: Nicht mehr weit bis nach Oggau? Ich nehme alles zurück! Durch wie viele Orte müssen wir noch radeln, bis wir endlich wieder unseren Startpunkt erreichen? Alles sieht im Dunkeln gleich aus und ich rede mir seit circa einer Stunde ein, dass es doch nur noch 15 Minuten dauern kann. Mittlerweile ist mir längst klar, dass ich nur eine Runde bewältigen werde und mir kommt vor, dass auf diesen Kilometern auch Martins Ehrgeiz schmilzt.
Kilometer 120, Oggau: Ziel mit Gulaschsuppe
Martin: Auf diesem Schild steht tatsächlich „Oggau“. Das war’s! Ich höre Katrin hinter mir jauchzen. Wir klatschen ab und machen ein Foto auf der „Sieger-Couch“, während sich einige neongelbe Gestalten bereits auf die zweite oder sogar dritte Runde aufmachen. Ich habe Riesenrespekt vor allen, die sich nochmals in die Nacht begeben. Und ich bin stolz auf Katrin, dass sie ihr Ziel erreicht hat. Für mich ist heute nicht mehr drinnen – die fehlende Kraft kann mir nicht mal die Gulaschsuppe im Fahrerraum einflößen. Aber während ich Weißbrotstücke eintunke regt sich der Ehrgeiz in mir. Nächstes Jahr will ich wieder starten - und dann zwei Runden schaffen!
Katrin: Endlich lese ich den ewig herbeigesehnten Namen „Oggau“ auf einem Ortsschild – ist das zu fassen? Ich muss einen Freudenschrei ausstoßen! Meine Lakemania ist damit beendet – 120 Kilometer Radfahren, was für eine Erfahrung! Dass ich im Flachland bin, spielt jetzt keine Rolle – bei mir stellt sich ein Gefühl wie bei einem Gipfelsieg ein.
Fazit Katrin: Ich bin wirklich begeistert von den Organisatoren, die ihr ganzes Herzblut in die Sache stecken und diese Veranstaltung zu einem besonderen Erlebnis machen. Da nur so wenige Radler an dem Event teilnehmen (dürfen), entsteht eine ganz eigene, familiäre Atmosphäre. Zur begeisterten Radmarathon-Teilnehmerin werde ich in diesem Leben trotzdem nicht mehr werden, dazu bin ich lieber zu Fuß oder mit Skiern in den Bergen unterwegs. Aber ich denke, dass ich mich ab jetzt leichter zu ausgedehnten Radtouren hinreißen lassen werde. Zumindest dann im Sommer, wenn die Heurigen rund um den Neusiedlersee wieder geöffnet haben.
Fazit Martin: Nicht nur die radelnden Teilnehmer, auch Michael Oberhauser und sein Team haben mit der Organisation der Veranstaltung eine Monster-Leistung vollbracht. Ich hoffe, dass die Lakemania trotz aller behördlichen Hürden auch nächstes Jahr wieder stattfindet – und ich eine zweite Chance bekomme. Ein großes Lob an Katrin, die ihr Ziel bravourös erreicht hat! Wir bildeten eher die Schlusslaternen des Feldes, hatten dafür aber unseren Spaß. Alle, die zwei, drei oder sogar mehr Runden geschafft haben verdienen großen Respekt – eine schier unglaubliche Leistung! Ich hoffe aber, dass sich die Lakemania nicht zur reinen Rekordjagd entwickelt und das gemeinsam erlebte Abenteuer – ähnlich wie beim immer beliebter werdenden Geher-Event (3.500 Starter) – im Mittelpunkt bleibt. Das von mir getestete Specialized Crux entpuppte sich jedenfalls als ideales Gerät für das Terrain rund um den Neusiedlersee. Es rollt wunderbar und ist dank seiner breiten, grobstolligen Bereifung absolut geländetauglich. Nicht umsonst liegen Cyclocrosser wie dieses gerade voll im Trend.
Ein großes Dankeschön an Michael Oberhauser für die Einladung zum Abenteuer 24H Burgenland Extrem, an Gigasport für die freundliche Unterstützung beim Equipment und an den Mountainbiker am See für das Testrad und die Würsteln bei Kilometer 77!