Das Nachtpferd Zawudschawu
Am Fuße der Berge rund um Greyerz im Kanton Freiburg soll einer Sage nach einst ein ebenso rätselhaftes wie launisches Pferd sein Unwesen getrieben haben. Grund genug, sich in diesem schönen Wandergebiet auf Spurensuche zu begeben!
- Ort: Greyerz (Gruyères), Kanton Freiburg
In alten Zeiten gab es mancherlei Ungeheuer zu Berg und Tal. Auf den sumpfigen Mooren in Greyerz weidete nachts das wilde Pferd Zawudschawu. Es war schwarz wie Ebenholz, nur die verwilderte Mähne und der lange Schweif waren schneeweiß. Oft, wenn gebrechliche Greise, die nicht mehr gut zu gehen vermochten, den Weg über die Moore nahmen, sprengte es in stolzem Lauf zu ihnen und ließ sich auf die Vorderbeine nieder, sie zum Aufsitzen einladend.
Doch nicht immer war es so artig und zutraulich. Oft spielte es den Leuten argen Schabernack. Eines Abends ging ein Mann, der etwas über den Durst getrunken hatte, von Greyerz (Gruyères) nach Hause. Er war müde, und zudem wollten ihm die schwankenden Beine nicht recht gehorchen. Verdrossen setzte er sich auf einen großen Stein bei der Felsenbrücke und lallte: „Käme doch nur mein Gaul daher, den ich so nutzlos zu Hause am Barren gelassen habe!“ Kaum hatte er's gesagt, hörte er traben, und unversehens kam in tänzelnder Gangart ein schwarzes Roß auf den Betrunkenen zu. Als es bei ihm stand, ließ es sich auf die Vorderbeine nieder und nickte mit dem Kopf gar wunderlich, als wollte es den Mann zum Aufsitzen einladen. Der dachte nicht lange darüber nach und stieg auf, so schnell es sich bei seiner Betrunkenheit tun ließ. Er versprach dem Pferd reichlich Futter und Zuckerbrötchen, wenn es ihn gut nach Hause bringe – und das Pferd trug ihn sanft davon.
Schon sah der betrunkene Mann das Dach seines Hauses im Schein des Vollmonds als das Pferd auf einmal einen Seitensprung machte, dass der Reiter fast von seinem Rücken flog, und es begann zu seinem Schrecken einen wilden Galopp, dass die weiße Mähne flatterte wie die Wäsche im Wind. Es stürmte fort durch das weite Moor, und unaufhaltsam ging's dem nahen Fluss, der Saane, zu.
Jetzt ergriff den Reiter eine wahre Todesangst. Er schrie auf und versuchte das wilde Roß aus dem Moor herauszulenken, indem er es verzweifelt an der weißen Mähne riss. Aber es schlug aus, und stürmte auf den Fluss zu. Doch kurz vor dem Sprung drehte es sich blitzgeschwind, sodass der Reiter wie ein Ball ins kühle Wasser geschleudert wurde. Das Pferd aber wieherte, als würde es lachen, galoppierte über das Moor dem Brockberg zu und verschwand.
Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915 (gekürzte Fassung)
Die Sage heute: Mit Brockberg könnte der Dent de Broc (1.829 m) nordöstlich von Greyerz gemeint sein. Überhaupt ist die 2.200-Einwohner-Gemeinde von einer schönen Bergwelt (Freiburger Alpen) umrahmt. Einen Besuch lohnt das mittelalterlich anmutende Städtchen aber auch wegen zweier Museen: Im Schlösschen St. Germain befindet sich das Museum H.R. Giger, das die fantastische Kunst des berühmten Alien-Schöpfers und Oscar-Preisträgers zeigt. Direkt im Zentrum von Greyerz eröffnete 2009 das Tibet-Museum mit 300 buddhistischen Skulpturen, rituellen Bildern und anderen Werken aus verschiedenen Himalaja-Regionen.
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