Pferde-Trekking im Norden der Mongolei
Weltenbummlerin Maren Krings hat den Nationalpark Gorkhi-Terelj im Norden der Mongolei per Pferd erkundet. Ein Nomadenleben, an das sie sich gewöhnen könnte.
Maren Krings
Schon immer hat es mich gereizt, in einem Zug von Europa nach Zentralasien zu fahren. Mittlerweile fügt sich dieser Wunsch in die aktuellen Themen unserer Zeit ein. Klimakrise, globale Erwärmung und überhöhte CO2-Freisetzung drängen uns zu einem möglichst schnellen Umdenken, was unsere Mobilität anbelangt. Um meinen eigenen ökologischen Fußabdruck beim Reisen möglichst gering zu halten, war der Zug die beste Möglichkeit die Mongolei zu erreichen.
Die Reise in die Mongolei beginnt für mich im lettischen Riga, wo ich im Nieselregen auf dem Vorplatz des Bahnhofs stehe und versuche, mein Bauchgefühl zu deuten. Vorfreude und Anspannung ob einer großen Reise ins Unbekannte vermischen sich und erzeugen einen kribbelnden Impuls in der Magengegend. Meine Intuition sagt mir, dass diese Reise in der transsibirischen Eisenbahn mit drei Zwischenstopps (Moskau, Krasnoyarsk und Irkutsk) eine Reise ohne Rückfahrt-Ticket ist – zumindest auf emotionaler Ebene.
Ich bin auf der Suche nach der Freiheit eines Reitervolkes. Hier im Bahnhofsgebäude beginnt die Suche jedoch zuerst einmal auf der kyrillischen Anzeigetafel – es gilt das Gleis für meinen Zug nach Moskau zu finden. Slow-Travel für Körper und Geist.
Zugfahren auf Russisch
Nach den ersten 17 Stunden Zugfahrt bin ich dankbar als wir endlich in Moskau ankommen. Mir bleiben ein paar Tage, um diese Metropole mit all ihrer Kultur und Architektur zu erkunden, dann geht es, in Begleitung einer Freundin, weiter in Richtung Krasnoyarsk. Ab Moskau beginnt nun auch der offizielle Reiseabschnitt auf der transsibirischen Eisenbahnstrecke, welche im Sommer auch den Russen als Hauptverkehrsader auf der Achse zwischen St. Petersburg und Wladiwostok dient. (Darum unbedingt früh buchen, sonst sind Chancen auf Plätze gering.) Wir teilen unser 2. Klasse-Schlafabteil mit einem Ehepaar, das uns in die russische Gastfreundschaft und Herzlichkeit einführt.
Nach zwei durchfahrenen Tagen und Nächten sowie vier Zeitzonen, kommen wir in der sibirischen Hauptstadt Krasnoyarsk an – eine quirlige Metropole, die an allen Ecken mit Raritäten fürs Auge aufwartet. Nach dem langen Sitzen im Zug sehnen unsere Körper sich nach etwas Bewegung und frischer Luft, die wir im Stolby-Naturschutzgebiet finden. Dieses ist stadtnah an den Ausläufern des Sayan-Gebirges gelegen. Nur ein Bruchteil dieses Kletterparadieses ist mit Wanderwegen versehen. Man tut gut daran, auf diesen Routen zu bleiben, da man sonst Gefahr läuft, sich in diesem ursprünglichen Urwald zu verlaufen.
Weiter geht es ab Platzkart in der 3. Klasse der transsibirischen Eisenbahn nach Irkutsk. Das offene Abteil erlaubt ein wunderbares Eintauchen in das „echte“ Russland. Füße von Schlafenden baumeln in die Gänge herab, auf dem Weg zum WC steige ich über einen dreijährigen Jungen, der unbeirrt sein Geschäft auf dem Töpfchen unter mir verrichtet. Ich bin beeindruckt von seiner stoischen Ruhe, ich hätte mir in dieser Situation wohl eher in die Hose gemacht. Der junge Soldat im Bett über mir verkürzt sich seine Heimreise mit ausreichend Wodka und verbringt seine Wachphasen auf meiner Sitzbank, die gleichzeitig mein Bett ist. Das ist die Spielregel der Transsibirischen: derjenige mit dem oberen Bett bestimmt, wann im Abteil geschlafen wird. So sitzen zwischenzeitlich bis zu drei junge Soldaten in unseren Betten und vertreiben sich die Zeit mit Kartenspielen, Wodka und Gesprächen.
Als wir das Katastrophengebiet der Überschwemmungen im Juni passieren, wecken sie uns auf, damit wir es sehen. Die Wassermassen haben Teile der Region von Irkutsk verwüstet. Mir blutet das Herz, als ich das Ausmaß der Zerstörung im Morgennebel ausmache. Unvorstellbar, dass diese Region innerhalb nur eines Monats von verheerenden Überschwemmungen zu extremer Trockenheit mit lebensbedrohlichen Waldbränden für Mensch und Tier übergegangen ist. Die Zeichen der Klimakrise sind unmöglich zu übersehen auf dieser Reise.
Ein Land im Volksfest-Taumel
Stolz wird unser Zug an der Grenze zur Mongolei von salutierenden Soldaten empfangen, wir sind begeistert. Die ersten Kilometer auf mongolischer Erde rollen wir im Glanz der aufgehenden Sonne vorbei an Jurten und Pferden, die unseren Zug in vollem Galopp ein stückweit begleiten. Der Anfang ist ein perfekt inszeniertes Klischeebild der Mongolei, das beim Einrollen in der Hauptstadt Ulaanbaatar allerdings gleich gebrochen wird. In der völlig überlaufenen Metropole erwartet uns ein Chaos aus Jurten und Industriegebäuden.
Kurz nach uns kommen auch die Kinder auf den Pferden an. Es ist Naadam, das größte Fest des Jahres und eines der Highlights sind die Pferderennen, welche von Reitern im Alter zwischen 5-13 Jahren bestritten werden. 15 Kilometer beträgt die Rennstrecke durch die Steppe. Abgeschlagen aber glücklich legen die jungen Jockeys noch ein wildes Rennen auf den letzten Metern vor dem Ziel hin. Mir scheint, ich muss mich aufs Pferd schwingen, um diese Nation wirklich kennen zu lernen.
Ein Land der Reiter
Ich entschließe mich ein achttägiges Pferdetrekking im Nationalpark Gorkhi-Terelj zu unternehmen. Als ehemalige Reiterin trennen mich mittlerweile gute zehn Jahre vom Sattel und ich bin mir nicht sicher, ob ich die volle Distanz meistern werde. Zum Glück nehmen mir Sabine und Keith, die Inhaber des Pferde-Trekking-Anbieters Stonehorse Expeditions, die Angst. Bei ihnen wird nicht nur Sicherheit, sondern auch der ökologische Aspekt großgeschrieben. Deshalb gibt es bei ihren Expeditionen weder Begleitfahrzeuge, noch unnötigen Abfall. Als Mitglied bei „Traveler against plastic“ rüsten sie ihre Gäste mit allem aus, was sie unterwegs brauchen: Thermobecher, Wasserflaschen aus Metall und Toilettenbeutel minimieren den Müll. Unvermeidbarer Abfall wird achtsam gesammelt und von den Packpferden bis zum Ausgangspunkt zurückgetragen.
Dem nicht genug, Sabine und Keith haben sogar auf das kaum vorhandene öffentliche Abfallmanagement reagiert, im Tal ein Müllauto eingeführt und die offene Müllhalde beseitigt. Den beiden Inhabern liegt das Wohl der mongolischen Natur tatsächlich am Herzen. Auch jenes ihrer Bewohner. Einheimische sind wichtige Stützen im Team – dank Köchin Mogi und den beiden Horsemen Byamba und Hundag lernen wir auf der Expedition sogar ein paar Brocken Mongolisch und tauchen in die Kultur des Kehlgesangs und des Ringens ein. So kraftvoll wie die beiden jungen Männer die anfallenden Arbeiten verrichten, so behutsam packt Mogi die 60 rohen Eier an, die von den Packpferden durch die Steppe, Flüsse und Wälder getragen werden.
Schon im Moment des Aufsitzens weiß ich, dass mein Wallach Shin-Hurren (New Brownie) mein maßgeschneiderter Assistent fürs Fotografieren ist. Ohne Widerstand galoppiert er von der Herde weg, wenn ich eine Ansicht der ganzen Gruppe fotografieren will und steht wie angewurzelt still, sobald er hört wie ich die Kamera aus dem Tragehalfter nehme. Ich bin so begeistert, dass ich nach zwei Tagen den einen gleich starken Muskelkater vom Grinsen wie vom Reiten habe.
Nomadentage in unberührter Natur
Es sind unvergessliche Eindrücke mit den Pferden durch die unberührte Natur zu ziehen, Flüsse zu durchqueren, im Galopp Berge zu erklimmen, Adler zu beobachten und nachts im Zelt totmüde mit Blick auf den Sternenhimmel einzuschlafen. Ganz ruhig verlaufen die Nächte allerdings nicht, da sich hin und wieder eine weiche Pferdeschnauze durch den offenen Zelteingang schiebt und mir den warmen Atem, nach Gras riechend, ins Gesicht pustet. Ein triftiger Grund, den tiefen Schlaf kurzzeitig zu unterbrechen.
Die Tage verfliegen solange die Sonne scheint und die wechselnde Landschaft uns in den Bann zieht. Weniger schnell vergehen sie, wenn der Regen ungebremst aus dem Himmel auf uns niederprasselt und sich unsere Blicke im Nebel verlieren.
Sicher jedoch ist: die acht Tage gingen viel zu schnell vorbei, denn als wir wieder am Basis-Camp ankommen ist der Muskelkater bereits vergangen und der Geruch unserer patinierten Kleidung vertraut. Vor allem aber – das Aufsitzen und Weiterziehen ist zu einer täglichen, selbstverständlichen Routine geworden. Das Nomadenleben wird mir fehlen.
Infos und Adressen: Per Zug und Pferd durch die Mongolei, Zentralasien
Beste Reisezeit: Der Sommer ist Hauptreisezeit in der Mongolei. Flugtickets und Zugplätze sind relativ knapp und sollten möglichst früh gebucht werden.
Einreise: Es besteht Visum-Pflicht. Ein einmonatiges Touristen-Visum ist bei der mongolischen Botschaft zu beantragen. Der Reisepass muss eine Gültigkeit von mindestens 6 Monaten ab dem geplanten Tag der Abreise haben. Einreisebestimmungen ändern sich häufig und intransparent. Man sollte sich deshalb vor der Reise bei der jeweiligen mongolischen Botschaft im eigenen Land informieren.
Zugfahren: Eine gute Quelle für Informationen zu Zugreisen gibt es hier.
Nationalparks: Stolby Nationalpark (Russisch).
Pferdetrekking: Stonehorse Expeditions (auf der Website finden sich auch viele wertvolle generelle Informationen zum Thema Reisen in der Mongolei).
Petition für Hilfe im sibirischen Krisengebiet.
Unterkunfts-Empfehlung in Ulaanbaatar: Chuka's guest house.