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Foto: Philipp Forstner
Bergporträt

Einer für alles: Der Monte Baldo

• 27. Oktober 2021
4 Min. Lesezeit

Baden mit Bergblick? Wandern mit Seeblick? Biken mit beidem? Dolce Vita am Strand? Der Monte Baldo ist der Berg der vielen Möglichkeiten.

Marlies Czerny für das Bergweltenmagazin Februar 2016

Wenn in kühlen Nächten der Nordwind von den Alpen zum Gardasee pfeift, dann purzeln die Wassertemperaturen mitunter über Nacht von lauschigen 22 auf frische 16 Grad. Peter Lehmann braucht kein Thermometer, um das festzustellen, er wirft einen Blick auf den Campingplatz. „Das kann wirklich sehr lustig sein, wenn du die Touristen hineinspringen und sofort wieder heraushüpfen siehst“, erzählt der Deutsche.

Drei Radfahrer bei der Abfahrt.
Foto: Philipp Forstner
Ob Wanderer oder Biker: Am Monte Baldo findet sich für jeden Geschmack der richtige Weg.
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Lehmann ist vor 25 Jahren ins kalte Wasser gesprungen. Der Auswanderer dockte als Surflehrer an der Ostküste im Städtchen Malcesine an, und beim Hinaufschauen zum alles beherrschenden Monte Baldo hat er von einer anderen Option Wind bekommen: dem Paragleiten. Bald ging er als Tandempilot mit Touristen in die Luft. Besonders gut geht das, wenn die Sonne die Brenta­-Dolomiten aufheizt. Dann bildet sich der Südwind Ora („Stunde“) und streicht am Monte Baldo entlang.

In dieser Morgenstunde aber schiebt der Nordwind Pelér die Paragleiter an. Auf der Weide neben dem Startplatz hoch oben am Berg blöken 100 Schafe selig vor sich hin. Der Blick fällt 2.000 Meter in die Tiefe bis auf die glitzernden Wellen des Gardasees. Diesen Höhenunterschied zu Fuß zu überwinden kann ziemlich anstrengend sein, trainierte Wadln sollte man da schon mitbringen.

Ein Paragleitflug mit Aussicht auf den Gardasee.
Foto: Philipp Forstner
Besonders empfehlenswert: ein Paragleitflug.

Der Bequemlichkeit halber ließe sich die Strecke auch in zehn Minuten mit der Kabinenbahn erledigen. Dank dieser Hauptschlagader ist das Angebot rund um den Gardasee für Genießer und Sportler so vielfältig: Baden mit Bergblick, Wandern mit Seeblick, Biken mit beidem oder doch Dolce Vita am Strand? Alles ist möglich.

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Angela Trawöger kennt dieses Luxusproblem richtig gut. Sie ist im malerischen Malcesine aufgewachsen und am liebsten in den Trekkingschuhen unterwegs – weit weg von der Seilbahn. „Beim Wandern kann ich abschalten und kreativ sein. Wenn ich nach der Arbeit losgehe, dann ist alles wieder gut“, sagt die Fotografin.

Sie hat den Monte Baldo von allen Seiten und zu allen Zeiten gesehen. „Jeder Tag ist anders. Das Licht, die Wolken, der Berg und der See – das ergibt wunderschöne Schattenspiele“, sagt Trawöger.

Eine Schattenseite hat sie in jungen Jahren gestört. „Im Winter ist es hier zu ruhig und langweilig. Ich hab alles versucht, um wegzukommen.“ In der Skischule des bekannten Zillertaler Bergsteigers Peter Habeler hat Angela Trawöger zwei Jahre lang Kinder ihr erstes Bogerl
gelehrt. „Und dann war mir plötzlich das Zillertal viel zu laut.“

Fotografin Angela Trawöger.
Foto: Philipp Forstner
Fotografin Angela Trawöger kennt und liebt den Monte Baldo.

Stille, See, Strandcafé

Statt Schirmbars suchte sie wieder Strandcafés – und die Stille am Monte Baldo. Wir spazieren auf ihrem After-Work-Trail mutterseelenallein. Der Weg ist abwechslungsreich: Nach 200 Höhenmetern wachsen keine Olivenbäume mehr, dafür breitet sich ein dichter Mischwald aus bis zur Baumgrenze, wo es immer steiler und zwischendurch felsig wird.

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Hier könnte man beim Wandern so viele Wege erkunden, dass für Pizza und Planschen keine Zeit mehr bleibt. Angela Trawöger sagt: „Wäre ich auf Urlaub hier, wäre ich den ganzen Tag aktiv. Der Monte Baldo ist mehr als der Seeblick, den die Seilbahn verkauft. Hier kann man alles erleben – vom Segeln bis zum Biken, vom Klettern bis zum Kiten, vom Paragleiten bis zum Wandern.“

Der Name Monte Baldo ist etwas irreführend. Es ist kein alleinstehender Gipfel, der diesen Namen trägt, sondern viele Spitzen, die unterschiedlich heißen. Die höchste ist die Cima di Valdritta und liegt auf 2.218 Meter, die bekannteste der Monte Altissimo di Nago im Norden.

Eine Schafherde am Berg.
Foto: Philipp Forstner
Schafe schätzen die saftigen Wiesen am Bergrücken.
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Und ja, liebe Wadln: Es gibt einen durchgehenden Weg von unten nach oben, den Sentiero 601. Aber Wanderer sollten hier mit Gegenverkehr rechnen: Berühmt ist die Nummer „601“ vor allem bei Mountainbikern der extremeren Sorte. Bike-Guide Davide Fambri warnt vor der anspruchsvollen Strecke: „Nur ein guter Biker kann den 601 genießen.“ Zeit zum Seeblicken nimmt sich der Freerider in den engen Kurven sicherheitshalber nicht.

Ganz anders als die Wanderer, die auf dem Rücken des Monte Baldo unterwegs sind, wofür man nur etwas Ausdauer und Trittsicherheit mitbringen muss. Die Strecke verläuft 35 Kilometer von Süden nach Norden, von der Po-Ebene in Richtung der Dolomiten-Dreitausender.

Hier finden sich die aussichtsreichsten Wege: Man kann Teile davon in wenigen Stunden oder die komplette Überschreitung als Dreitagesprojekt in Angriff nehmen und dabei sehr viel See sehen. Und zerfallene Stallungen und Schutzwälle, die daran erinnern, dass hier im Ersten Weltkrieg österreichische und italienische Soldaten auf höchster Ebene kämpften.

Drei Wanderer beim Aufstieg im Nebel.
Foto: Philipp Forstner
Wirt Danny Zampiccoli mit Freunden auf dem Weg zu seiner Hütte, dem Rifugio Altissimo.

Edelweiß statt Steinzeit

Im Osten des Berges liegt das versteckte Gesicht des Monte Baldo. Kurvige Asphaltstraßen erschließen historische Dörfer, alte Militärstraßen schlängeln sich die Hügel hoch. Die kleinen Skilifte stehen still, sobald der Frühling erwacht.

Dann grasen hier zwischen den Maulwurfshügeln Kühe, deren Milch ein paar verbliebenen Almbetrieben die Käseproduktion sichert. Die buntesten Blumenwiesen breiten sich bis ins unten gelegene Etschtal aus. In der Eiszeit lag der Monte Baldo nicht unter dem Eis versteckt, sondern blieb frei für Flora und Fauna.

Darum überlebten hier herausragend viele verschiedene Pflanzen. Mehr als 600 Arten sind katalogisiert. „Europas Garten Eden“, sagt dazu das Ufficio Turismo.

Eine Hütte im Sonnenschein.
Foto: Philipp Forstner
Die Hütte Rifugio Altissimo von Wirt Danny Zampiccoli.

Wer auf dem Grat in Richtung Norden wandert, der wird früher oder später auf Danny Zampiccoli und seine Hütte, das Rifugio Altissimo auf dem gleichnamigen Berg, stoßen. Danny ist im australischen Melbourne geboren und nach acht Lebensjahren Down Under mit seinen italienischen Eltern zum Stiefel zurückgekehrt.

Mit der rechten Hand streift Danny sanft über die Grashalme der Wiese. Sein Blick bleibt an einem Edelweiß hängen. „Die gibt es nicht nur in den Alpen“, merkt er augenzwinkernd an. „Eine buntere Wiese wirst du an keinem anderen Flecken Erde finden.“ Der 1,60 Meter kleine Gastgeber hebt seinen Blick wieder in Richtung See.

Dort unten ist er daheim, in Arco, man sieht das Städtchen mit seinen berühmten Kletterfelsen ringsum. Manche Linien hat Danny vor 30 Jahren erstmals berührt. Dann zog es ihn fort, und er hat die wildesten Touren von Alaska bis Patagonien unternommen, bis er seinen Platz im obersten Stockwerk des Gardasees wiederentdeckt hat. „Nun warte ich hier, damit die Leute mit ihren Abenteuern zu mir kommen“, sagt der Gastgeber.

Köstliches Rindfleisch, serviert mit Bohnen.
Foto: Philipp Forstner
Darf man auf Dannys Hütte nicht versäumen: dünn geschnittenes Rindfleisch mit Bohnen.

In der Stube seiner Hütte nimmt man gern Platz. Danny und seine Mitarbeiter sorgen für die gute Stimmung, der Chef empfiehlt Polenta mit Kaninchen oder „Carne Salada e Fagioli“, dünn geschnittenes und in Salz eingelegtes Rindfleisch mit Bohnen, die Spezialität des Hauses. Und natürlich den Grappa – selbst angesetzt mit Enzian oder Honig.

Noch bevor die Sonne kitschig hinter den Bergrücken auf der anderen Seeseite verschwindet, ist klar: Hierher wird man bald wieder zurückkommen.

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