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Alpine Jobs

Portrait: Der Lawinensprenger

• 15. Januar 2019
3 Min. Lesezeit
von Tobias Micke

Alexander Striednig löst beruflich Lawinen aus, damit Wintersportler sicherer unterwegs sind. Dabei setzt er manchmal auch sein eigenes Leben für andere aufs Spiel.

Alexander Stridnig
Foto: Marco Rossi
Alexander Stridnig
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„Es gibt Lawinenhänge, da muss man mit die Ski reinfahren, und beim Rausfahren hoffst du, dass du keinen Stern reißt...“ Denn beim Herausfahren brennt unwiderruflich die Zündschnur.
 
Dann hat Alexander Striednig, zweifacher Familienvater und Mitglied der Lawinenkommission im Wintersportort Mallnitz in Kärnten, circa drei Minuten Zeit, um sich aus dem Staub zu machen, bis der von ihm deponierte und scharfgemachte Sprengsatz das Schneebrett auslöst – falls er es nicht schon vorher aus Versehen selbst auslöst.

Unten stehen bei dieser Aktion dann immer die Kollegen. Und zwar genau dort, wohin das Schneebrett „ihren Ali“ mitreißen würde, die Schaufeln zum Ausgraben startklar, den Lawinenpieps eingeschaltet und auf „Suchen“ gestellt.
 
Was für ein Job! Als Lawinensprenger trägt Alexander Striednig wesentlich dazu bei, dass die Skifahrer auf den Bergen um Mallnitz sicher unterwegs sind, indem er dafür sorgt, dass die Lawinen kontrolliert dann abgehen, wenn keiner auf den Hängen unterwegs ist – außer ihm und seinen Kollegen. Zweimal, sagt Ali, ist er schon bis zur Brust im betonharten Lawinenschnee gesteckt und musste befreit werden. Das nennt man dann kalkuliertes Risiko.

Der tollste Job der Welt

Verschüttet zu werden, wenn’s blöd hergeht, damit es nachher niemand anderen erwischt: Da muss nicht nur das Vertrauen in die bereitgestellten Kollegen zu 100 Prozent stimmen, dazu muss man auch die passende Lebenseinstellung haben.

Werkzeuge Lawinensprengung
Foto: Marco Rossi
Werkzeuge Lawinensprengung

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„Ich hab doch den tollsten Job der Welt!“, sagt Ali, um seine Leistung und die Selbstverständlichkeit, mit der er sie erbringt, ein wenig herunter zu spielen, „ich fahr von daheim nur 5 Minuten in die Arbeit, und ich darf beruflich Skifahren gehen.“ Als geprüfter Landesskilehrer beherrscht er das auch bei widrigen Verhältnissen, bei dichtem Nebel und schwerem Neuschnee und hat auch gelernt, in den Schneeprofilen der fragwürdigen Hänge zu lesen, wie in einem Buch.
 
Das Skigebiet um den Ankogel (3.252m) mit seinen unzähligen Tiefschnee-Varianten ist das einzige Skigebiet Österreichs, in dem im Winter eine dreiköpfige Lawinenkommission täglich zusammenkommen muss, um einstimmig die Pisten freizugeben. „90 Prozent aller Lawinenhänge hier bei uns“, erklärt Ali zur Veranschaulichung, „laden – wenn sie losgehen – ihre gefährliche Schneelast auf Skipisten ab.“ Wenn die Winter dann schneereich sind, bedeutet das oft 18-Stunden-Schichten, die um fünf Uhr früh beginnen und gehörigen Zeitdruck, damit das Skigebiet pünktlich um neun Uhr zumindest teilweise für die Gäste freigegeben werden kann.

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„Gscheiter, einmal mehr zu schießen“

In manche der Ankogel-Hänge kann man die Sprengladung aus sicherer Entfernung von oben hineinwerfen, in andere führt zum selben Zweck eine kleine Seilbahn und manche muss man mit der sogenannten Lawinenpfeife beschießen, von der Funktionsweise her einer Mischung aus Feuerwerksabschussrampe und Wasserwerfer. Der eine oder andere erfordert aber auch höchstpersönliche Betreuung, wie eingangs beschrieben.
 
Alexander Striednig, der als guter Skifahrer meist diesen Job übernimmt, wollte ursprünglich von Herzen gern Polizist  werden. „Nur, nachdem Polizisten sehr oft nicht in ihrer Heimatregion eingesetzt werden und i vom Naturell her so a Hoamkuah bin“, sagt Ali augenzwinkernd, „bin ich doch zur Bergbahn gegangen“. – Und Pistenchef geworden.

Mallnitz
Foto: mauritius images / imageBROKER / Oliver Gerhard
Mallnitz

Dabei gibt es doch einige Parallelen zwischen dem Lawinensprenger und dem Polizisten. Der eine lernt mit Sprengstoff umzugehen, der andere mit einer Waffe. Beide, um diese potentiell verheerende Macht dann verantwortungsvoll zum Wohl der Mitmenschen einzusetzen.
„Gscheiter einmal mehr schießen, als einmal zu wenig“, ist dafür wiederum ein Satz, der nur aus dem Mund eines Lawinenbeauftragten vertrauenserweckend klingt.
 
Für die Vorsicht gibt es einen guten Grund: Es geht hier um die Sicherheit aller Menschen, die am winterlichen Berg unterwegs sind. Und die Mitglieder der Lawinenkommission müssen ständig wichtige Entscheidungen treffen: Sprengen oder nicht? Piste öffnen oder schließen? Wenn doch ein Unglück passiert, trägt die Lawinenkommission dafür die Verantwortung.

Auf die Dosis kommt es an

Unabhängig von der Anzahl der Sprenungen muss Ali aber auch – wie Arzt und Apotheker – immer auf die richtige Dosis achten: Das haben er und seine Kollegen im Grundkurs gelernt, der mit der Lizenz zu Sprengen und der Erlaubnis zum großzügigen Erwerb von Explosivmitteln wie Lawinit, Riomon oder Austrogel abgeschlossen wird.
 
Wie man so zu dosieren lernt, dass einem statt dem kosmetischen Abräumen eines Schneebretts nicht der halbe Berg um die Ohren fliegt? „Im Grundkurs gehen die Anwärter in kleinen Gruppen mit der Aufgabe in den Wald Bäume so zu sprengen, dass sie nachher sauber in die gewünschte Richtung umfallen,“ erklärt Ali, und vor dem letzten Satz huscht ihm ein richtig breites Spitzbuben-Lächeln übers Gesicht: „Auch daran, wieviel Sprengstoff eindeutig zu viel ist, daran muss man sich bei dieser Übung natürlich erst herantasten.“

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