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Bergwelten Hüttenwoche Schweiz, Tag 2

Mit E-Bikes auf den St. Moritzer Hausberg

• 26. August 2020
4 Min. Lesezeit

Die Bergwelten Online-Redaktion verlegt ihr Büro für eine Woche ins Schweizer Engadin. Am zweiten Tag erwarten sie atemberaubende Landschaften und einiges an Nervenkitzel – müssen die Panoramen doch erst über steile Trails erradelt werden.

E-Biken Corviglia Engadin
Foto: Martin Foszczynski
Trail-Ausblick auf die Gipfel über St. Moritz und Pontresina
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Bericht: Vanessa Elwitschger

07:00 Uhr: Natürlich haben wir uns aufgerafft, ziemlich gern sogar, denn hier im Val Roseg wird man morgens vom Rauschen des Wildbachs geweckt, der das Tal auf über 12 Kilometern durchzieht und zuhinterst den Blick auf den Roseggletscher (3.937 m) lenkt, der jetzt im frühen Morgengrauen leicht schneebedeckt glitzert. Ein Anblick, den man definitiv nicht so schnell vergisst.

Morgens begrüßt uns Wolfgangs Frau Lucrezia mindestens genauso herzlich wie ihr Mann und führt uns in die temporäre Bergwelten-Redaktion für diese Woche. Und auch wenn mittags nach getaner Arbeit draußen auf der Sonnenterrasse des Hotels Roseg Gletscher schon wieder eine Tortenvariation der Superlative von Nusstorte und Tiramisu über Himbeer-Soufflé, Mousse au Chocolat und Cremeschnitten lockt, satteln wir die E-Bikes Richtung Pontresina.

Unser neues Zuhause: Das Val Roseg

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E-Bike-Eldorado Engadin

Das Engadin ist ein Paradies für Biker – auf 400 Kilometern ausgeschilderter Routen findet so ziemlich jeder den „Flow“, wenn man sich an ein paar einfache Regeln hält. Fairtrail nennt sich das Konzept, das in Graubünden das friedliche Zusammenleben von Bikern und Wanderern möglich macht. Die Regeln sind einfach:
Mach dich mit der Glocke bemerkbar, lass den Wanderern den Vortritt und passiere diese im Schritttempo. Wichtig ist auch, beim Bremsen nicht das Hinterrad zu blockieren, um den Weg nicht zu zerstören, Weidezäune zu schließen und selbstverständlich den Abfall mitzunehmen.
Wenn sich im Sommer ziemlich viel tut auf den Trails, sorgen so genannte Fairdinands für Unterstützung. Sie machen auf die Regeln aufmerksam, geben Tipps und holen Feedback ein, um das E-Bike-Angebot laufend zu verbessern.

Der St. Moritzer Hausberg Corviglia (2.486 m) ist unser Ziel, hier gibt es von technisch anspruchsvollen alpinen Trails und verspielten Flow-Trails über Single Trails für Anfänger alles – und das noch dazu mit einer atemberaubenden Aussicht auf azurblaue Seen, satte Wiesen und Berggipfel. Ein unvergessliches Mountainbike-Erlebnis verspricht uns auch Bike-Guide und Physiotherapeutin Tanja – sie radelt sogar so gerne, dass sie selbst in ihrer Freizeit mit Gruppen der Bike School Engadin unterwegs ist. Heute mit uns. 

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Corviglia-Panorama-Tour mit Bike-Guide Tanja

Wer noch nie mit dem E-Bike in den Bergen unterwegs war, sollte auf die Begleitung eines Guides beim ersten Mal nicht verzichten. Neben den nötigen Fahrtechniken, kennen heimische Guides die schönsten Plätzchen und besten Einkehrmöglichkeiten an den Strecken. Für einen halben Tag muss man mit einer Gruppe von 5 Personen mit etwa 345 Franken rechnen.

Panoramafahrt mit Nervenkitzel

Unsere Tour, die Padella-Corviglia Panorama Tour, führt von Pontresina ausgehend dem Jungen Inn entlang bis zum Luftkurort Samedan, der im Westen vom Piz Ot (3.246 m) überragt wird. 

Von hier aus geht’s in Schlangenlinien 3 Kilometer bergauf zur entzückenden Alp Muntatsch. Der Weg ist breit und gut befahrbar, dennoch kommen wir bereits ein bisschen ins Schwitzen. Die E-Bikes würden zwar den Berg im Turbo-Modus mit Leichtigkeit erklimmen, doch Tanjas Appell, mit den Akkus gut zu haushalten, wird sehr ernst genommen. Ohne Unterstützung sind die sonst so flinken Teile nämlich ganz schön schwer. 

Nach einer kurzen Trinkpause fahren wir über den Panoramatrail unterhalb des Piz Padellas (2.856 m) ins Gelände. Jetzt geht’s über einen schmalen Single-Trail in engen Kurven und mit drei steileren Schlüsselstellen Richtung Bergstation Marguns. Hier heißt es Nerven bewahren! Wer das E-Bike nicht gewohnt ist, kann hier schon mal an seine Grenzen stoßen. Gewicht, Geschwindigkeit und Motorunterstützung dürfen nicht unterschätzt werden. 

Das haben wir auch am eigenen Leib erfahren, denn nicht nur einmal sind uns die Hinterräder weggerutscht. Wer bremst verliert? Eigentlich ja, wie Bike-Guide Tanja erklärt, denn wer zu stark am Bremshebel zieht, verliert schnell die Balance. Doch das muss man sich auch erst mal trauen. Ich zumindest bin bei ein, zwei schwierigen Passagen vorsichtshalber abgestiegen. Ganz nach dem Motto: „Wer sein Rad liebt, schiebt“. 

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Corviglia-Panorama-Tour mit Bike-Guide Tanja

Aus Zeitgründen kürzen wir den Trail an dieser Stelle ab und fahren gleich ins Waldgebiet Stazerwald, in dessen Mitte der von Moorwiesen und Schilf umgebene Lej da Staz liegt. Im Gegensatz zu den vier großen Seen Silsersee, Silvaplanersee, Champférersee und St. Moritzersee, die auch im Sommer kaum wärmer als 17 Grad werden, heizt sich der kleine Hochmoor-See auf und erreicht trotz 1.800 Metern Seehöhe wohlige 20 Grad und mehr. Wir sind jedenfalls hin und weg, als der malerische See plötzlich nach einer Lichtung des alpinen Tannenwalds auftaucht. Die Landschaft erinnert an die unendlichen Weiten Kanadas und lädt zum Träumen ein. Wir können uns kaum losreißen, müssen aber.

Wieder in Pontresina angekommen, trinken wir ein verdientes Bierchen, wir sind zugegebenen Maßen ziemlich erledigt.
Bevor wir durch das malerische Tal wieder ins Quartier ziehen, treffen wir aber noch „Hut-Advisor“ und Gipfelstürmer Pascal Schumacher, der im Auftrag von Salewa als Hüttenpraktikant seit 2019 sämtliche Schweizer Hütten besucht und seine Erfahrungen mit uns teilt. Ein ausführliches Interview lest ihr hier in Kürze.

Auf dem letzten Abschnitt der Panorama-Tour

Zurück zuhause

Im Hotel angekommen begrüßt uns Gastwirt Wolfgang bereits mit einem breiten Lächeln und offenen Armen als würden wir zur Familie gehören. Was uns dann an kulinarischen Köstlichkeiten erwartet, lässt sich nicht in Worte fassen. Wolfgang und sein Team ziehen jegliche Register und kredenzen nach Hirsch-Carpaccio mit Krensauce, einen Gamsrücken, der an Zartheit nicht zu übertreffen ist – mit Spätzle, Kohlsprossen, Maronicreme auf eingelegter Birne. Maronireis als Nachspeise lässt uns dann fast am Tisch einschlafen und wir fallen überglücklich aber auch sehr, sehr müde ins Bettchen.

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