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Foto: Elias Holzknecht
72 Stunden am Seefelder Plateau

Ein Wochenende am Seefelder Plateau

• 30. Oktober 2021
4 Min. Lesezeit

Ein Wochenende am Seefelder Plateau: Wir gehen langlaufen wie die Weltmeister, wandern mit Alpakas und praktizieren Yoga im Schnee. Und außerdem klären wir die Frage: Wo ist es schöner, im wuseligen Seefeld oder im ruhigen Leutasch?

Katharina Lehner für das Bergwelten Magazin Februar/März 2020

15 Uhr, Seefeld: Wanderbegleitung 

Hier ist man sportliches Kräftemessen gewohnt: Nordische Ski-WM 2019, Austragungsort von Olympischen Winterspielen in den Sechzigern und Siebzigern, Air & Style-Snowboardcontest in den Nullerjahren. Doch auch in normalen Wintersaisonen gesellen sich zu den etwa 3.000 Seefeldern ein paar tausend Gäste. Es ist also etwas los hier.

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Ruhige Ecken gibt es aber trotzdem: Joggl, König Laurin,Thyrsus und Co recken die Köpfe. Mit ihren großen schwarzen Augen starren sie zur aufgehenden Stalltür. Das gelockte Fell, die langen Hälse – der Anblick ist so entzückend, dass man den Mann inmitten der Alpaka-Herde fast übersieht.

Florian Haslwanter grüßt freundlich, er nimmt die Tiere an die Leine und geht mit uns nach draußen. Stress darf man keinen haben, wenn Leithengst Joggl das Tempo vorgibt – es ist gemächlich. In der stillen Schneelandschaft eigentlich entspannend, wenn es nur nicht so kalt wäre. Gut, dass die Herde losspurtet, als sie merkt, dass der Rückweg eingeschlagen wird. „Die haben Hunger oder müssen aufs Klo“, sagt Florian.

Klingt nach einem Witz, ist aber tatsächlich so: Alpakas gehen nur auf das Örtchen, das die Leitkuh dazu erklärt hat. Im Stall angekommen, wird gefressen – der Grund für die Eile ist geklärt.

Alpakas im Schnee.
Foto: Elias Holzknecht
Leithengst Joggl und Alpakaführer Florian Haslwanter zeigen uns Unterseefeld.

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19 Uhr, Leutasch: Skitour im Dunkeln

Zwischen uns und unserem Abendessen liegen eine 15- minütige Fahrt ins benachbarte Leutasch sowie 415 Höhenmeter. Vom Ortsteil Moos geht es über eine ehemalige Skipiste bergauf. Das nächtliche Ziel: die Rauthhütte. Verfehlen kann man sie trotz Dunkelheit nicht, denn erstens präpariert Wirt Andreas Rauth regelmäßig den Hang, zweitens leuchtet einem ab der Hälfte des Weges das Licht der Hütte entgegen.

Bekannte Gesichter beim Betreten der warmen Stube: Ehemalige Schulkollegen grüßen und erinnern an die nicht ganz ernst gemeinte Feindschaft zwischen den Orten, die am Plateau zelebriert wird. Neben Zirbenschnaps für die Neuankömmlinge kommen alle Sprichwörter auf den Tisch, die einmal den einen, dann den anderen Ort aufs Korn nehmen.

Ruhig wird es erst, als Andreas das Knödel-Tris serviert. Ein Gedicht. Doch nicht nur wegen des Essens ist die Hütte eine Institution: Im Winter kommen die Tourengeher und die Rodler – um die 300 pro Tag –, im Sommer die Schulklassen zur Bergwoche. Über Nacht bleibt heute nur der Wirt, deshalb: Stirnlampe eingeschaltet, Ski angeschnallt, und schon sind wir wieder unten in Leutasch. Mit einer Ortsfläche, die sechsmal so groß ist wie die von Seefeld, und mit tausend Einwohnern weniger hat man hier sehr viel Platz mit sehr viel Ruhe. Das Resümee am Ende von Tag eins? Unentschieden im Wettkampf der Orte.

Nachtwanderer unterwegs im Schnee.
Foto: Elias Holzknecht
Früher war hier eine Liftanlage, heute nutzen nur noch Skitourengeher und Rodler die Piste.

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10 Uhr, Seefeld: Langlauf-Lektion 

Ein Start mitten im Trubel: vor dem Kongresszentrum mit Schwimmbad, Sauna, Kino, Eislaufplatz, Eisstockbahnen und dem Langlaufzentrum gleich gegenüber. Dort wartet Thomas Unterfrauner darauf, sein Skating-Wissen weiterzugeben. Auf der Übungsstrecke zeigt er uns die Grund lagen. Nach einer Stunde Intensivprogramm ist er zufrieden: „Da hab ich jetzt selbst eine Freude, dass ihr das so schnell könnt.“ Anwenden kann man die neu gewonnene Fähigkeit überall auf dem Plateau: 245 Loipenkilometer sind ständig gespurt.

Ein Langlauf-Trainer in voller Ausrüstung.
Foto: Elias Holzknecht
Bei Thomas Unterfrauner kann man sich etwas abschauen – er ist Langlauflehrer in Seefeld.
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14 Uhr, Seefeld:Eislauf-Sicht

Auf der Sonnenterrasse des „Woods“ über dem Langlaufzentrum tummeln sich alle, die sehen und gesehen werden möchten. Es ist die Welt der Gäste – als Einheimische bekommt man hier einen ganz anderen Blick auf den Ort. Champagnerflaschen werden im Kühler an die Liegen serviert. Einen kleinen Snack nehmen, in der Sonne sitzen und den Eisläufern dabei zusehen, wie sie ihre Runden drehen – es gibt schlechtere Pausenplätze.

Im Anschluss daran lohnt sich ein Spaziergang durch das Dorfzentrum und zum eingeschneiten Seefelder See, den man einmal umrundet, um dann in der „Strandperle“ einzukehren. Ein Espresso geht sich aus, bevor das Abendessen ansteht.

19 Uhr, Seefeld: Lockere Haubenküche

Seefeld steht vermutlich nicht ganz oben auf der Winterurlaubsliste der Hautevolee und ist deshalb auch nicht der Ort, an dem man ein Gourmetlokal erwartet. Armin Leitgeb ist hier, um das zu ändern. Die Karriere des Kochs und dreifachen Familienvaters hat ihn um die ganze Welt sowie durch zahlreiche Sterne-Lokale geführt.

Doch die Kinder sollten in der Heimat aufwachsen, und so hat er im Dezember 2018 das „Le Treize“ eröffnet. Der beste Platz im Lokal ist der Hochtisch gleich neben dem offenen Teil der Küche. Da werden Steaks gegrillt und geschnitten, Mousses angerichtet; viele Hände verleihen den Gerichten den letzten Schliff. „Wir möchten, dass es unsere Gäste gemütlich haben und sich nicht fehl am Platz fühlen vor lauter Etikette“, erklärt Armin das Fehlen des obligatorischen Gedecks aus unterschiedlichen Gabel- und Löffelgrößen.

Langlaufen, Schaulaufen und hervorragendes Essen – am Ende des zweiten Tages hat Seefeld eindeutig die Nase vorn.

Jakobsmuscheln mit Kaviar.
Foto: Elias Holzknecht
Im Le Treize genießt man mehrere kleine Gänge hintereinander, wie etwa roh marinierte Jakobsmuscheln mit Zitrusfrüchten, Backerbsen und Saiblingskaviar.

10Uhr, Leutasch: Yoga im Schnee 

So, als wäre man zu Hause, fühlt es sich morgens im „aufatmen“-Hotel an. Es ist still, es riecht nach Lärchenholz, überall sind Naturmaterialien wie Leinen und Lehm verarbeitet. Kein Wunder, dass Yogis hier unterkommen. Jeden Tag gibt es eine Einheit Morgenyoga, im Sommer mehrtägige Workshops und im Winter ein Programm, das „Namaste im Schnee“ heißt: Mit Hotelchefin Maria Pfeiffer unternimmt man eine Schneeschuhwanderung, die von Übungen unterbrochen wird. Yoga im Schnee? Das geht?

„Wenn man Stehpositionen macht, ja“, sagt sie und beginnt mit ihrer Einheit. Vor der Bergkulisse, im Sonnenschein und mitten im glitzernden Tiefschnee ist man spätestens nach der Tänzerstellung überzeugt. 

Yoga im Schnee.
Foto: Elias Holzknecht
Maria Pfeiffer zeigt vor, wie es geht: Yoga im Tiefschnee. Hinten blickt man Richtung Inntal und Stubaier Alpen.

11.30 Uhr, Leutasch: Auf Jägerspuren

Mit aufnahmefähigem Geist geht es zum Abschluss ins Museum. Es ist dem Leben des bayerischen Schriftstellers und Lebemanns Ludwig Ganghofer gewidmet, der um 1900 zwanzig Jahre lang Pächter der Jagd im Leutascher Gaistal war und dort den Großteil seiner Heimatromane geschrieben hat. Auf seinen rauschenden Festen feierten Größen wie Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke und Richard Strauss.

Fotos, Gästebücher, Schriftstücke und Kleidung bieten Einblicke in diese Zeit. Wenn man Glück hat, ist Iris Krug, Leiterin des Museums, anwesend und führt durch die Exponate, die auch das Dorfleben von damals zeigen. „Wir haben hier Jahrzehnte zurückreichende Aufzeichnungen und Fotos von Leutaschern“, erzählt sie.

Ein Museum in Seefeld.
Foto: Elias Holzknecht
Im ehemaligen Volksschulgebäude erfährt man vom Leben Ludwig Ganghofers und dem Dorfeben im Lauf der Zeit.

Auch von der Oma der Autorin, die Leutascherin war und später in Seefeld eine Familie gegründet hat? „Aha, eine Abtrünnige also“, spaßt Iris. Foto hat sie auf die Schnelle keines für uns, dafür eine Erinnerung daran, dass es noch gilt, eine Frage zu beantworten: Wo ist es schöner? Das entspannte Leutasch hat nach diesem Tag wieder auf ein Unentschieden aufgeholt. Aber egal, ob man es lieber piano oder forte hat: Als Seefelderin könnte man voreingenommen sein, als Besucherin darf man das Stück ohne schlechtes Gewissen in beiden Lautstärken genießen.

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