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Reise

Minas Gerais: Im geheimnisvollen Herzen Brasiliens

• 26. Mai 2017
7 Min. Lesezeit
von Peter Knauseder

Samba, Käsebällchen, Gold, und Diamanten – dazu historische Kolonialstädte, toller Fels und jede Menge Wasserfälle. In Minas Gerais im Südosten Brasiliens gibt es das alles tatsächlich an einem Ort. Peter Knauseder hat die dünn besiedelte Provinz erkundet und erklettert.

Minas Gerais
Foto: Peter Knauseder
Minas Gerais: Im geheimnisvollen Herzen Brasiliens
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Es ist gerade Ende Mai und ich lasse mir am Strand von Rio die Sonne auf den Bauch scheinen. Die letzten 3 Monate verbrachte ich fast ausschließlich damit, die Strände Südbrasiliens zu erkunden, immer auf der Suche nach guten Wellen. Trotz bildschöner Strände und nahezu perfekter Surfsessions fühle ich mich nun seekrank. Es ist Zeit dem Ozean den Rücken zu kehren und dem Ruf der Berge zu folgen.

Wie schon so viele Male zuvor, geschah es in Brasilien nicht anders. Ein Kletterer auf Reisen trifft stets auf andere Kletterer. Nach einiger Zeit entwickelt man anscheinend so etwas wie einen sechsten Sinn, der dabei hilft, Interessensgenossen zu erkennen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auf diese Weise konnte ich in den letzten Monaten, ohne wirklich aktiv zu recherchieren, zahlreiche Tipps und Reiseempfehlungen einholen. Über eines waren sich alle einheimischen Kletterer einig: Wenn ich Wander- und Felsabenteuer suche, dann muss ich nach Minas Gerais.

Vom Surfstrand in die Berge

So weit so gut. Ich habe also ein Ziel, zwei Monate Zeit und ausreichend Budget für Kost und Logis. Nach ein paar Recherchen wird mir erneut bewusst, wie groß Brasilien eigentlich ist und dass es wohl sehr schwierig sein wird meine Zielorte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ich entschließe mich kurzerhand die Preise für Mietautos zu checken und zu meiner Freude und dank der Nebensaisonpreise finde ich nach nur kurzer Zeit ein passendes Angebot. Der Roadtrip kann losgehen.

Während meiner Routenplanung fällt mir auf, dass beinahe alle meiner Ziele entlang der sogenannten „Estrada Real“ liegen. Diese im 17. Jahrhundert von den Portugiesen installierte Route wurde hauptsächlich für den Transport von Gold und Diamanten aus den Bergen zur Küste genutzt. Glücklicherweise befindet sich die Estrada Real nicht in ihrem Originalzustand – sie wurde mittlerweile größtenteils asphaltiert und ist, wie sich herausstellen sollte, bis auf einige Ausnahmen hervorragend mit dem Auto befahrbar.

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Paraty zwischen Rio und Sao Paulo
Foto: Peter Knauseder
Paraty, ein wunderschöner Küstenort zwischen Rio und São Paulo

Ich mache mich auf den Weg von Paraty, einem wunderschöner Küstenort zwischen Rio und São Paulo, wo drei Monate zuvor noch Karneval gefeiert hatte, zu meinem ersten Ziel: Dem „Parque Nacional de Itatiaia“. Als ich nach knapp fünf Stunden Fahrt in Brasiliens erstem Nationalpark ankomme, liegen unzählige Serpentinen und spannende Landschaften hinter mir.

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Nach einer kurzen und kalten Nacht auf dem Beifahrersitz meines Mietwagens packe ich früh morgens mein Equipment und mache mich auf den Weg, um das Gebiet zu erkunden. Und siehe da: neben traumhafter Natur finde ich auch jede Menge kletterbaren Fels sowie einige einheimische Kletterer vor. Voller Euphorie über den Besuch aus dem fernen Österreich laden mich die unglaublich freundlichen und offenen Jungs nach nur kurzer Zeit ein, mit ihnen zu klettern. Ich lerne ihre schönsten Routen kennen und am Ende des tollen Tages am Fels bietet mir einer der Brasilianer sogar an bei ihm zu übernachten.

Eine weitere Nacht im Auto sei viel zu kalt und überhaupt: die brasilianische Gastfreundschaft erlaube es nicht mich ohne Verköstigung und einer Nacht in einem guten Bett weiterfahren zu lassen. Dankend nehme ich das Angebot an und aus einem Tag im Nationalpark werden drei.

Parque Nacional de Itatiaia

Mit neuen Freundschaften und guter Laune im Gepäck geht die Reise weiter. Mein Gastgeber empfiehlt mir den nahegelegenen Naturpark „Serra do Papagaio“ zu besuchen. Dort gäbe es tolle Wasserfälle und eine der schönsten Tageswanderungen der Region. Nach zwei Stunden Fahrt komme ich am Ziel an. Ich treffe auf einen wunderschönen alleinstehenden Berg, der im Zentrum eines weitläufigen Plateaus aufragt.

Wie versprochen befindet sich am Startpunkt meiner Wanderung ein idyllischer Wasserfall. Obwohl ich ein wenig Zeitdruck habe, lasse ich mir mein Morgenbad nicht nehmen und mache mich erfrischt auf den Weg in Richtung Gipfel. Gute 10 Kilometer, 800 Höhenmeter und 4 Stunden später stehe ich am höchsten Punkt und genieße den fabelhaften und ungetrübten Weitblick bei strahlen blauen Himmel.

Naturpark „Serra do Papagaio“
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Ufos im Hippie-Nest

Mein nächstes Ziel auf der Estrada Real ist „São Thomé das Letras“. Ein kleines Hippie-Örtchen, das von jeder Menge seltsamer Mythen umrankt ist. Hier wird der bekannteste Fels Brasiliens abgebaut und in alle Teile des Landes exportiert, doch der Ort ist auch noch für etwas anderes bekannt: ihm wird nachgesagt, dass er sich an einem der sieben Energiezentren unseres Planeten befinde und deshalb eine ganz besondere spirituelle Wirkung auf seine Besucher habe.

Auch über einen 4.000 Kilometer langen Tunnel nach Machu Picchu in Peru wird gemunkelt und natürlich hat das Dorf auch einen Landeplatz für UFOs . Als ich in einem Café einen der Bewohner schmunzelnd auf diese Mythen anspreche, reagiert er ernst. Ohne mit der Wimper zu zucken versichert er mir, dass es sich dabei nicht um Mythen, sondern um Fakten handelt.

São Thomé das Letras

Kuhglocken und Almhütten in den „brasilianischen Alpen“

Nächster Punkt auf meiner Karte ist der Naturpark „Ibitipoca“. Als ich nach einigen Stunden Fahrt auf löchrigen Erdstraßen und einem kleinen Intermezzo mit einem „Mataburro“, der brasilianischen Variante des Weidegitters, in Ibitipoca ankomme, traue ich meinen Augen kaum: Einige der Häuser sehen aus wie die urigsten Almhütten der Alpen und sind mit Kuhglocken, Sensen und allerlei Almwerkzeugen dekoriert.

Keine Frage, hier möchte ich übernachten! Müde, aber vom charmanten Anblick entzückt, miete ich mich in eine Pousada (Gästehaus) ein und verbringe die Nacht in einer urigen Blockhütte mit offenem Kamin und Sauna. Tiefenentspannt und ausgeschlafen mache ich mich am nächsten Tag auf, um den Nationalpark zu erkunden. Wie erwartet finde ich traumhafte Wasserfälle und menschenleere, unberührte Natur so weit das Auge reicht vor.

Naturpark „Ibitipoca“

Nach einigen Tagen in den „brasilianischen Alpen“ habe ich Lust auf Abwechslung und beschließe kurzerhand eine Stadt zu besuchen. Ich packe meine Sachen und fahre nach „Ouro Preto“. Die ehemalige Hauptstadt von Minas Gerais ist ein architektonisches Juwel voller gut erhaltener Kolonialbauten und beeindruckender Barockkirchen.

Vor rund 350 Jahren erlebte die Stadt ihren Höhepunkt und war Zentrum des Goldhandels der portugiesischen Kolonialherren. Heute sind viele der Herrenhäuser zu Museen umgestaltet und für Besucher – meist gratis – zugänglich. Nach 3 Tagen Kultur und Geschichte spüre ich langsam wieder ein Kribbeln in meinen Finger – Zeit aufzubrechen. Mein letztes Reiseziel wartet.

Ouro Preto, die ehemalige Hauptstadt von Minas Gerais

Kletter-Paradies Brasiliens

Der „Parque Nacional da Serra do Cipó“ befindet sich rund zwei Stunden nördlich der heutigen Hauptstadt von Minas Gerais, Belo Horizonte. Mir wurde von zahlreichen Quellen versichert, dass ich hier die besten Sportkletterrouten Brasiliens antreffe. Schon bei der Einfahrt in den Ort erblicke ich die bis zu 40 Meter hohen Kalksteintürme, die inmitten eines wunderschönen, mit Kokospalmen geschmückten Tales thronen.

Ohne zu zögern, packe ich meine Kletterausrüstung und mache mich, in der Hoffnung andere Kletterer zu treffen, auf den Weg zu einem der Türme. Es dauert nicht lange, bis ich einer Gruppe von 3 einheimischen Kletterern begegne. Wie schon so viele Male zuvor in Brasilien, werde ich herzlich empfangen und erhalte auch gleich eine kleine Einführung in das Gebiet. Nur 30 Minuten später hänge ich bereits auf 20 Metern Höhe in meinem Seil und höre die Anfeuerungsrufe meines neugewonnenen brasilianischen Kletterpartners.

Parque Nacional da Serra do Cipó

Wenig überraschend laden mich die Jungs nach dem Klettern zu sich nach Hause ein und ich darf mich – zu einem Freundschaftspreis – bei ihnen einquartieren. Es stellt sich heraus, dass zwei der Brasilianer Kletterguides sind und so gut wie jede Klettertour in der gesamten Region kennen. Als sie mir auf ihrem Laptop Fotos der Umgebung zeigen wird mir bewusst, wie viel Potenzial für erstklassige Kletterei diese Gegend birgt.

Ein Foto sticht mir ganz besonders ins Auge: Ein Wasserfall, der knapp 300 Meter vor einer überhängenden Felswand in die Tiefe stürzt. Als ich neugierig nachfrage, erzählen mir die beiden Guides, dass sie dort eine Mehrseillängentour eröffnet haben, die durch die gesamte Wand führt und sogar einmal direkt unter dem Wasserfall kreuzt. Außerdem ist der sogenannte „Cachoeira do Tabuleiro“, Brasiliens dritthöchster Wasserfall, nur etwa eine Autostunde entfernt. Der Gedanke lässt mich nicht mehr los. Das nahenden Ende meines Aufenthalts in Brasilien im Hinterkopf, kann ich dem Verlangen, diese Tour zu klettern, nicht widerstehen.

Wasserfall Cachoeira do Tabuleiro
Foto: Peter Knauseder
Wasserfall Cachoeira do Tabuleiro

Nach zwei kletterintensiven Wochen in Serra do Cipó ist es soweit. Ich hänge auf 200 Metern Höhe in der Felswand. Über mir ein Schleier von Wasser und unter mir ein kleiner See, der vom herabfallenden Nass gespeist wird. Sechs anstrengende und unvergessliche Stunden später stehe ich am Gipfel und starre dem Wasser hinterher wie es in die Tiefe stürzt. Ein kleiner Traum geht in Erfüllung und meine eindrucksvolle Reise findet ihren krönenden Abschluss.

Infos und Adressen: Minas Gerais, Brasilien

Minas Gerais
Minas Gerais

Beste Reisezeit: Winter, also Mai bis September, ist die beste Reisezeit für Minas Gerais. In dieser Periode gibt es kaum Niederschlag und es ist nur unbedeutend kühler als im Sommer. Trockene und sonnige Tage mit sehr milden Temperaturen sind quasi garantiert.

Ausrüstung: Ein einigermaßen warmer Schlafsack wir empfohlen, da es in größeren Höhen während der Nacht teils unter 10 Grad abkühlt. Wer auch Klettern möchte sollte unbedingt seine eigene Ausrüstung mitbringen, da es keine Möglichkeit gibt eine solche zu mieten. Der Kauf von Kletterequipment ist umständlich und teuer. Ein Zelt ist oft von Vorteil, da man sich so hin und wieder eine teure Pousada sparen kann.

Übernachten: In Brasilien ist es überaus einfach Unterkünfte zu finden. Jeder noch so kleine Ort hat zumindest eine oder zwei Pousadas, wo man ein Doppelzimmer für 10-30 Euro bekommt. Speziell in Minas Gerais ist es meist sehr sicher und man kann auch mal Wildcampen oder (wenn vorhanden) einen Campingplatz verwenden.

Anreise

  • Flugzeug: Jeder größere Internationale Flughafen bietet regelmäßig Flüge nach Rio de Janeiro (GIG) oder São Paulo (GRU). Wenn man früh genug bucht findet man in der Nebensaison teilweise Flüge unter 500 Euro.
  • Mietauto: Sowohl in Rio als auch in São Paulo kann man sich an den Flughäfen recht günstig Autos mieten. In den Monaten Mai und Juni (Nebensaison in Brasilien) bekommt man einen kompakten PKW mit Teilkasko schon für knapp €15/Tag.

Kletter- und Wanderführer

Für Serra do Cipó gibt es zwei tolle Kletterführer (nur in Portugiesisch):

„Serra do Cipó, Lapinha e Sítio do Rod“ für Mehrseillängen-, Sport- und Tradtouren.
„Guia de Escaladas da Serra do Cipó“ für Sportklettern.

Links

Die „Federação de Montanhismo e Escalada de Minas Gerais“ bietet aktuelle Infos zu Veranstaltungen rund ums Klettern und Bergsteigen auf ihrer Website (nur in Portugiesisch).

Auf „Tropical de Altitude“ gibt es Infos zu den besten Klettergebieten in Minas Gerais.

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