16.800 Touren,  1.600 Hütten  und täglich Neues aus den Bergen
Foto: Jens Wehofsky
Via Dinarica-Trail

Montenegro – Quer durch die Dinarischen Alpen

• 2. Mai 2022
7 Min. Lesezeit

Reiseblogger Jens und Yvonne Wehofsky haben mit ihrem Sohn Täve schon einige Outdoor-Abenteuer bestanden. Im Juni 2019 machten sie sich in den kleinen, aber naturgewaltigen Balkanstaat Montenegro auf, um zwei Wochen lang mit Zelt dem Via Dinarica-Trail zu folgen. Dabei erlebten sie neben der großen Einsamkeit auch so manche Überraschung.

Bericht: Jens Wehofsky

Daran wird sich wohl niemals etwas ändern. Jedes Mal steige ich mit einem mulmigen Gefühl in den Flieger, das sich erst wieder mit den ersten Wanderschritten verflüchtigt. Dem Urlaub sind tagelange Recherchen und Organisation vorausgegangen. Ob der Plan am Ende aufgeht, zeigt sich immer erst vor Ort. Wie immer ist aber auch der Weg unser eigentliches Ziel.

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Unser Taxi wartet am Flughafen Podgorica und soll uns nun quer durch Montenegro nach Berane bringen. Auf der anderthalbstündigen Fahrt dorthin verlassen wir schnell den flachen Küstenstreifen und auf den folgenden Serpentinen kennt die Straße nur eine Tendenz – nach oben. Schon beim Blick aus dem Autofenster lächeln wir uns drei begeistert zu: Enge Schluchten, endlose Wälder, unzugängliches Gelände und alpine Gebirgszüge zieren den Wegesrand.

Angesichts dieses Terrains stelle ich unsere 160 Kilometer lange Trekkingtour durch die Dinarischen Alpen schon jetzt in Frage. Meine Partnerin und mein Sohn beruhigen mich aber und verweisen auf vergangene Touren, die wir alle gemeistert hatten, egal auf welche Unwegsamkeiten wir dort trafen. Doch welche Herausforderungen werden uns in den folgenden 14 Tagen auf den Fernwanderwegen Via Dinarica und Crnogorska Transverzala (CT1) erwarten? Werden wir abermals ein Dream-Team sein und Durchhaltevermögen beweisen?

Mit Zelt unterwegs am Via Dinarica-Trail

Im ersten Abschnitt unserer Tour – zwischen Berane und Mojkovac im Osten Montenegros – bewegen wir uns in einem hügligen Terrain und blicken immer wieder auf die hohen Gebirgszüge zurück, die hinter der Grenze in Albanien liegen. Die Route ist geprägt von exponierten Wanderwegen, die entlang der Bergkämme verlaufen. Oftmals genießen wir den Weitblick auf die endlosen Wälder und saftig grünen Wiesen vor unserem Zelt. In diesen fünf Tagen treffen wir gerade mal auf eine Handvoll Menschen und kein einziges Dorf. Schon hier wird uns das Trinkwasserproblem bewusst.

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Abenteuer mit Hindernissen

Am zweiten Tag haben wir unser Kilometerpensum erreicht und finden ein Traumplatz nach dem anderen zum Campen. Doch wir können nicht stoppen – weit und breit ist kein Tröpfchen Wasser in Sicht. Hinter jeder Kurve, hinter jedem Hügel hoffen wir auf Wasser. Doch auch nach weiteren fünf Kilometern hat unsere Suche keinen Erfolg. Just im Motivationstief schreit Täve etwas aus der Ferne – er ist mit seinem geländetauglichen Roller schon um die Kurve gedüst: „Wasser, ich habe Wasser gefunden.“ Ein kleines Rinnsal über den Weg rettet unseren Tag und genau hier schlagen wir auch unser exponiertes Nachtlager auf.

Am nächsten Tag erblicken wir in der Ferne immer wieder die omnipräsente Militärstation auf der über 2.000 m hohen Zekova Glava am Rande des Biogradska Gora Nationalparks. Ab dort treffen wir auch vermehrt auf Tageswanderer. Langsam verändert sich die Landschaft. Beeindruckende Bergseen rücken ins Bild. Die Hügel werden zu Bergen mit schroffen Steilhängen und die Wälder weichen den Wiesen und Geröllfeldern.

Unser achtjähriger Sohn hat die ersten 50 Kilometer super mitgehalten und genießt jetzt die langen Abfahrten auf seinem Roller. Als Belohnung gönnen wir ihm eine Übernachtung in einer rustikalen Hütte, die mitten im Nationalpark steht. Die Juni-Hitze macht uns aber allen zu schaffen, so dass wir einen Tag später in Mojkovac wieder eine feste Unterkunft dem Zelt vorziehen. Das verschafft uns genügend Zeit, um zu regenerieren und um Proviant und Benzin zu besorgen.

Unterwegs im Biogradska Gora-Nationalpark

Der nächste Abschnitt zwischen Mojkovac und Zabljak verläuft durch das Zentrum des Landes. Um auf die Sinjajevina-Hochebene zu kommen, müssen wir einen beschwerlichen Aufstieg von 1.000 Höhenmetern in Kauf nehmen. Dabei erblicken wir vereinzelte Häuser und auf den breiten Schotterpisten kommen uns gelegentlich auch Autos entgegen. Trotzdem kann man diesen Abschnitt als einsam bezeichnen.

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Noch wilder wird es, nachdem wir die Schotterpiste verlassen haben, um das weglose Gelände zu queren. Einheimische warnten uns, dass es auf den folgenden 30 Kilometern kein Wasser gäbe. Die Hochebene ist hier baumlos und wir sind permanent der Sonne ausgesetzt. Erholung versprechen nur die am Nachmittag vorbeiziehenden dunklen Regenwolken.

Kurz vor dem verlassenen Dorf Katun Planinica erwischt uns tatsächlich ein Unwetter. Bei Gewitter und Platzregen retten wir uns in letzter Sekunde unter ein Dach. Heute kommen wir nicht mehr weiter, doch hier bleiben ist auch keine Option. Wir haben kein Wasser und erst zu spät kommen wir auf die Idee, das Regenwasser aufzufangen. Als das Unwetter vorbei ist, bemerken wir die überfluteten Wege. Wir füllen alle Tassen und Töpfe, die wir haben, mit Wasser und schlagen nun doch hier unser Nachtlager auf.

Unterwegs zur Sinjajevina-Hochebene
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Allein mit den Naturgewalten

Nach diesem Unwetter denken wir, es könnte nicht schlimmer kommen, doch der Folgetag belehrt uns eines Besseren. Während sich Morgen und Mittag abermals von ihrer besten Seite zeigen, zieht gegen Nachmittag eine Gewitterfront heran. Wieder bietet uns ein Haus Schutz vor dem einsetzenden Regen. In einer Regenpause bauen wir in der Nähe das Zelt in einem kleinen Wäldchen auf und sortieren uns im Innenzelt. Ich koche im Vorzelt einen warmen Tee und blicke auf die nahegelegene Lichtung. Auf einmal schlägt ein greller Blitz etwa 100 Meter von unserem Zelt ein, begleitet von einem grollenden Donner, der jeden von uns erschüttert. Yvonne springt von einer Ecke in die andere, dann liegen wir wie erstarrt im Zelt. Einige Minuten später ist alles wieder vorbei und es macht sich Entspannung breit.

Der Rest unseres zweiten Abschnitts verläuft ohne größere Überraschungen. Allerdings geht uns gegen Ende der Proviant aus, weshalb wir aus zwei Tagesetappen eine machen müssen. Diese 25 Kilometer sind eine harte Ansage, aber in Zabljak warten Pizza, Cola und Wein auf uns, genug Motivation.

Rund um Zabljak im Nord-Westen Montenegros erstreckt sich die wohl größte Natur-Attraktion des Landes: Es war zu erwarten, dass es im Durmitor Nationalpark etwas touristischer zugeht. Die auf knapp 1.500 m gelegene Kleinstadt Zabljak bietet eine Vielzahl an Hotels und unweit des Zentrums zieht der malerische Gletschersee Crno Jezero Besucher magisch in seinen Bann.

Nach einem Erholungstag am Rande von Zabljak brechen wir mit abgespeckten Rucksäcken zu einer Dreitagestour durch die alpine Bergwelt des Durmitors auf. Dieses Massiv gehört zum Gebirgszug der Dinariden (Dinarischen Alpen), der mehrere Balkanländer verbindet. Das Gelände ist anspruchsvoll, unwegsam und schlecht markiert. Man trifft auf viele Tageswanderer, doch die Abende hat man für sich allein. Wir zelten erst am Camp Lokvice und eine zweite Nacht wild am Gletschersee Zeleni Vir.

Durch die alpine Bergwelt des Durmitor-Massivs

In den Alpen des Balkans

Doch der Weg bis zum zweiten Nachtlager hat es in sich. Mit dem Fernglas inspiziere ich vom Lokvice Camp aus den scheinbar unbezwingbaren Anstieg in der Ferne. Zwei Fakten verursachen Unbehagen: Zum einen ist dieser Weg weder markiert noch im Navi als Trail vermerkt und zum anderen führt er über mehrere Schneefelder im Steilgelände. Wir entschließen uns dazu, es zu versuchen, wollen aber bei zu hohem Risiko umkehren.

Tags darauf stehen wir am Einstieg und der Weg sieht nun zum Glück machbarer aus. Er ist teilweise mit Drahtseilen versichert, weist aber auch Kletterpassagen im II-UIAA-Bereich auf, die wir als passionierte Kletterer locker überwinden. Auch die Schneefelder queren wir sicher und haben bald den Höhepunkt der Tagestour erreicht.

Nach der Nacht am Gletschersee und einer Stippvisite auf einem Sattel, von dem man den besten Ausblick auf den See Srcko Jezero genießt, treten wir den Rückweg an. Unbewusst schlagen wir denselben Weg wie viele andere Wanderer ein. Der letzte Tag gleicht einer Massenwanderung. Der Grund ist der 2.523 Meter hohe Berg Bobotov Kuk, der höchste Punkt der gesamten Via Dinarica.

Macht nichts – in den vergangenen Tagen hatten wir ganz viel Natur ganz für uns alleine. Und einmal mehr haben wir als Familien-Dream-Team alle Hindernisse auf dem Weg bewältigt. Darauf stoßen wir am letzten Abend im Camp Ivan Do in Zabljak glücklich mit zwei Gläschen Wein und einem Gläschen Cola an.

Montenegro Trekking Via Dinarica
Foto: Jens Wehofsky
Dream-Team: Finisher-Foto am Sedlo-Pass

Infos und Adressen: Trekking in Montenegro

Allgemeines

Als EU-Beitrittskandidat hat das Land, das in etwa so groß ist wie Schleswig-Holstein, bereits jetzt den Euro als Zahlungsmittel. Die Hauptstadt Podgorica wird von einigen Airlines direkt angeflogen. Bus- und Bahnverbindungen sind billig, aber auch der Transfer mit dem Taxi ist erschwinglich. Generell kann das gerade mal 130 Kilometer breite Land als preiswertes Reiseziel bezeichnet werden. Die Einwohner sind offen, hilfsbereit und extrem gastfreundlich.
Für den Aufenthalt bis zu 30 Tagen ist ein Personalausweis ausreichend, darüber hinaus ein Reisepass.

Landschaft

Montenegro beherbergt im Nationalpark Biogradska Gora einen der letzten Urwälder Europas. An der montenegrinischen Küste findet man das südlichste Fjord Europas, die Tara-Schlucht im Durmitor Nationalpark gilt mit 1.300 Meter als tiefster Canyon in Europa und nach dem Grand Canyon als zweittiefster auf unserer Erde.

Quer durch das Land und mitten durch die Dinarischen Alpen führt ein Teil der 2.000 Kilometer langen Via Dinarica, vorbei an den vielen Naturschönheiten. Auf unserer 160 Kilometer langen Trekking-Tour mit Zelt durchstreifen wir im hügeligen Osten den Biogradska Gora Nationalpark, im Zentrum die karge Sinjajevina Hochebene und im Westen den alpinen Durmitor Nationalpark.

Fernwanderweg Via Dinarica

Der 2.000 Kilometer lange Trail Via Dinarica folgt den Dinarischen Alpen von Slowenien bis nach Albanien. Dabei kann man sich zwischen drei Varianten entscheiden: White – steht für die verschneiten Berge und ist die anspruchsvollste Option, da es vorwiegend durch alpines Gelände geht. Blue – steht für Wasser und verläuft an der Küstenlinie ohne viele Höhenmeter. Green – steht für Wald und führt an den nördlichen Ausläufern im hügeligen Terrain entlang. Der Weg ist teilweise schlecht ausgeschildert und daher ein GPS-Gerät/ Landkarte unumgänglich. Zu Recht gilt der montenegrinische Abschnitt als einer der schönsten, abwechslungsreichsten, aber auch anspruchsvollsten des gesamten Fernwanderweges. In Montenegro lässt sich dieser Fernwanderweg auch gut mit dem nationalen Wanderweg Crnogorska Transverzala (CT1) kombinieren.

Wetter

Im Frühsommer kommt es gegen späten Nachmittag häufig zu ergiebigen Regengüssen mit Gewittern. Ansonsten ist es in den Dinariden angenehm warm bis heiß, die Nächte sind mild und frostfrei. Die beste Reisezeit ist der Mai/ Juni, da die Wege größtenteils schneefrei sind und es noch nicht extrem heiß ist. Im Hochsommer fällt weniger Regen und viele Seen und Flüsse sind ausgetrocknet.

Infrastruktur

Einkaufs- und Übernachtungsmöglichkeiten sowie Tankstellen gab es nur am Startpunkt in Berane, in Mojkovac und am Ziel in Zabljak. Unterwegs trifft man zwar immer wieder auf kleinere Dörfer, die aber keinerlei Proviantnachschub garantieren. Im Biogradska Gora Nationalpark gibt es die Möglichkeit, in kleinen Hütten zu übernachten, die auch Essen anbieten (Etno Selo Koliba Damjanovica).

Wildnis-Faktor

Wild Zelten ist offiziell verboten, wird aber geduldet, sogar in den Nationalparks. Auf den Wanderwegen ist Einsamkeit garantiert, in den Nationalparks können sie aber durchaus überlaufen sein. Die Landschaft präsentiert sich oft urig und abwechslungsreich, übersät von blühenden Wildwiesen mit unzähligen Insekten und Schmetterlingen. Stellenweise gibt es Wasserprobleme, das gilt vor allem für die Hochebene.

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