INTERVIEW PER SPRACHNACHRICHT

Hohe Gipfel – junge Besteiger

Mit 10 Jahren begann der Brite Leo Houlding mit dem Klettern, wenig später meisterte er bereits seine ersten Big-Wall-Durchsteigungen. Heute erobert er die Berge gemeinsam mit seinen Kindern. Im WhatsApp-Interview erzählt er, inwieweit er eine normale Kindheit hatte und wieso er mit seinem Nachwuchs 3.000er erklimmt.
(Inklusive Zusammenfassung auf Deutsch.)

Interview: Sissi Pärsch, Illustration: Jochen Schievink

  1. Leo über sich und das Klettern

Eigentlich begann der heute 41-Jährige relativ spät mit dem Klettern – mit zehn Jahren. Aufgewachsen im Lake District im Nordwesten Englands, begleitete er seinen Vater und dessen Kletterfreunde auf leichten Routen im dortigen Nationalpark. Von Big Walls – also Wänden jenseits der 1.000-Meter-Marke – konnte da noch keine Rede sein. Damit begann er erst in der späteren Jugend.

Den Abenteuergeist trug er aber immer schon in sich – und er erkannte bald, dass das Felsklettern genau das bot: große Abenteuer. Dafür muss man nicht weit gehen. >

 

> Es reicht, fünf Meter eine senkrechte Wand nach oben zu klettern, und du spürst das Risiko und die möglichen Konsequenzen. „Das ist nicht wie ein Spielplatz – das ist ein reales Erlebnis“, sagt der Profikletterer.

Heute ist er auf der ganzen Welt unterwegs – zwischen Himalaya und Amazonas-Regenwald. Aber: „Das braucht man nicht.“

 

2. Leo über das Abenteuer

„Ich meine, abenteuerliche Erfahrungen sind für jeden gut“, sagt Leo Houlding. Es muss dabei nicht unbedingt in die Extreme gehen oder mit hohem Risiko verbunden sein. Rauszugehen, sich seinen Ängsten zu stellen, zu erleben, was man wirklich draufhat, und die eigenen Grenzen auszuloten fördert laut dem Engländer das Selbstvertrauen und wirkt sich positiv auf Körper und Geist aus. Egal ob man ein Stadtmensch ist oder ein Bergfex.

3. Leo über seine Kindheit

Nachdem Klettern und Bergsteigen nicht die üblichen Betätigungen eines Zehnjährigen in England sind, liegt die Frage nahe, ob Leo Houlding ein Einzelgänger war. Er sagt, er hatte eine ziemlich normale Kindheit – mit Fußballspielen und anderen Mannschaftssportarten. So ganz wohl fühlte er sich in großen Gruppen allerdings nie, und auch die Leidenschaft für diese Aktivitäten war nicht groß. Einzelgänger war er aber dennoch keiner – schließlich ist man am Berg auch nur selten ganz allein. >

 

> Er hatte eine Handvoll guter Freunde, die er auch fürs Klettern begeistern konnte, und war sonst gerne mit den Freunden seines Vaters und anderen älteren Menschen unterwegs.

Eines war ihm schon früh klar: Er wollte seinen eigenen Weg gehen – führen und nicht folgen.

 

4. Leo und seine Kinder

2020 ging es für Leos Familie auf den 3.308 Meter hohen Piz Badile in den Bergeller Alpen im Süden des Schweizer Kantons Graubünden. Die damals siebenjährige Freya kletterte aus eigener Kraft auf den Gipfel (und ist damit die jüngste Besteigerin des Piz Badile), der dreijährige Jackson genoss das Abenteuer auf Mama Jessicas Rücken.

Um Aufmerksamkeit oder einen Rekord ging es der Familie dabei aber nicht. „Wir wollten einfach Spaß haben“, sagt Leo und dass sie gemeinsam Abenteuer erleben wollen.

5. Leo übers Fordern und Beschützen

Dass die Berge ein gefährlicher Ort sind, ist klar. Leo ist aber der Meinung, dass es nicht gut ist, Kinder zu sehr zu beschützen. Man müsse sie Entscheidungen treffen lassen, sie mit Gefahr und möglichem Scheitern konfrontieren. Als Elternteil sei es wichtig, auszuloten, mit welchem Grad an Risiko man gerade noch glücklich ist.

Leo kann sich gut vorstellen, dass auch seine Kinder später einen abenteuerlichen Weg einschlagen werden. Auch wenn er hofft, dass sie ihm nicht alles nachmachen. Er sagt: „Wir können ihre Entscheidungen ab einem bestimmten Punkt nicht mehr beeinflussen. Bis dahin können wir aber ihre Einflüsse, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen formen.“ >

 

> Das will er ihnen mitgeben, damit sie wissen, was sie tun, und Situationen gut einschätzen können. „Ich hoffe, dass meine Kinder epische Abenteuer genießen können – aber eben so sicher wie möglich.“

Leos Tipps für Eltern

Abschließend hat der Profikletterer noch zwei Empfehlungen für abenteuerlustige Mamas und Papas parat:

 
  1. Bewegt euch innerhalb eurer eigenen Kapazitäten: „Ich bin professioneller Kletterer, ich weiß, was ich tue. Und wenn ich etwas mit den Kindern mache, fühle ich mich sicher und bewege mich in Schwierigkeitsgraden weit unter meinen eigenen Fähigkeiten.“

  2. Macht es! „Es gibt nichts Schöneres, als die Wunder der Berge gemeinsam mit den eigenen Kindern zu erleben.“ Die meisten Eltern wissen natürlich, dass selbst das Fertigmachen für die Schule zur Herausforderung werden kann, da fällt es oft schwer, daran zu denken, einen Camping-Trip zu organisieren. Da sagt Leo: „Es ist hart für alle, aber das ist es wert! Genießt es!“

Mehr zum Thema auf bergwelten.com

  • In großer Höhe: Am Gasherbrum II (8.034 m), Karakorum

    Mit Kindern auf hohe Berge

    Es muss ja nicht gleich der Mount Everest sein, um vom Höhenbergsteigen zu sprechen. Unser Körper zeigt bereits in mittleren Höhen ab ca. 2.000 – 2.500 m erste Auswirkungen der „dünneren“ Luft. Doch wie reagieren Kinder darauf? 4 Tipps von unserem Bergwelten-Profi Walter Zörer!

  • Kindern beim Klettern am Fels

    6 Ausrüstungstipps fürs Klettern mit Kindern

    Dass Kinder gerne kraxeln, findet Bergführer Walter Zörer nicht nur ganz normal, sondern sogar sehr positiv. Uns verrät er 6 wertvolle Ausrüstungstipps fürs Klettern mit dem Nachwuchs.

  • Kind auf einer Kletterwand im Kinderzimmer

    So baust du eine D.I.Y.-Kletterwand für Kinder

    Kinder lieben es, auf Bäume zu klettern. Was aber, wenn man wie Asia Citro in einer Gegend wie Seattle lebt? Also mit langen Wintern und vielen Regentagen zu kämpfen hat? Um ihren Kindern trotzdem ausreichend Bewegung und Beschäftigung zu bieten, baute sie irgendwann den Keller in ein Spielzimmer um.

 

Das Bergwelten-Magazin

Sechs Mal jährlich inspiriert das Outdoor-Magazin mit Berichten zu den Themen Hütten & Touren, Bergregionen & Menschen, Natur & Kultur, Sport & Ausrüstung und Mode & Lebensgefühl. Mit dem Bergwelten-Abo hast du das neueste Magazin pünktlich im Briefkasten – eine Prämie nach Wahl gibt’s gratis dazu.
Gleich Abo bestellen und profitieren.