DER NASE NACH
„Ein Abc der Berg-Gerüche“
Moos, Kuhfladen, Sonnencreme: Kann man den Bergsommer riechen? Ein Versuch, ihn mit der Nase zu beschreiben und festzuhalten.
Umsetzung: Johanna Schwarz & Katrin Rath, Illustrationen: Romina Birzer
-
wie Angstschweiß.
Das erste Mal in der Vertikalen am Klettersteig, die standardmäßige Überwindung vorm Gipfelgrat oder der Gedanke an die schmerzenden Knie im Abstieg. Wer diesen Geruch der Herausforderung wahrnimmt, wird jenen der Buchstaben G, J und K besonders genießen.
-
wie Beeren,
zum Beispiel Heidelbeeren. In der Heidelbeeren-Pflück-Saison von Juni bis September entdeckt man viele Wanderer in den Stauden. Kein Wunder, Heidelbeeren haben gerade einmal 45 Kilokalorien pro 100 Gramm, fallen aber mit viel Vitamin C, Kalium, Zink, Folsäure sowie Gerb- und Pflanzenfarbstoffen ins Gewicht, die Immunsystem stärken und Entzündungen bekämpfen. Jetzt mal ganz abgesehen von ihrem wundervollen süßen Geschmack und Duft, der sich vor allem bei Pfannengerichten wie Schmarrn und Palatschinken entfalten kann.
-
wie Chalk.
Du stehst am Wandfuß, die Sonne hat es noch nicht um die Ecke geschafft, der Fels ist noch griffig und kalt. Du steckst deine klammen Finger in den Chalkbag, klatschst in die Hände, und die feinen weißen Partikel bahnen sich ihren Weg in Richtung Geruchsnerv. Das Kitzeln in der Nase verrät dir: Heute setzt du einen Haken unter dein großes Projekt.
-
wie Dünger.
Für die einen ist es „Aaahhh, Landluft!“ und „Endlich wieder in der Natur“, andere rümpfen die Nase über den Güllegeruch. Dabei ist die „gute Landluft“ so gesund für die Pflanzen und auch gleichermaßen effektiv: Jauche weist einen sehr hohen Ammoniumgehalt auf und entspricht daher in ihrer Wirkung fast reinem Mineraldünger.
-
wie Enzianschnaps
– und Ehrensache, den auf der Hütte als Belohnung angeboten zu bekommen. Enzianschnaps wird aus der Enzianwurzel gewonnen, die man in jeder Apotheke kaufen kann. Die Pflanze selbst kann man gerne anschauen, aber bitte in Ruhe lassen, sie steht unter Naturschutz.
-
wie frisch gemähte Almwiesen.
Wo Bergbauern hauptsächlich der Geruch der harten Arbeit und des Benzins der Motorsense in die Nase steigt, nehmen Wanderer den Geruch des geschnittenen Grases wahr und damit das Gefühl des Sommers in den Bergen. Übrigens: Dieser typische Duft ist eigentlich ein Hilfeschrei der Halme. Die Duftstoffe, die bei Verletzungen ausgeschüttet werden, dienen als Wundheil- und Kommunikationsmittel. Sie sollen nämlich Fressfeinde abstoßen und Insekten anlocken, die diese eliminieren.
-
wie Gipfelluft.
Lungen auffüllen, tief einatmen, fernab vom Städtetrubel endlich durchatmen – ganz ohne Abgas-, Kanal- oder Betongeruch, dafür mit Almkräuterluft, gepaart mit Jausenduft und der einen oder anderen Kuhfladenschwade.
-
wie Heu.
Im Sommer wird wieder Heu eingeholt. Riecht super, Menschen mit Allergie halten sich aber besser fern davon, das Wort „Heuschnupfen“ spricht für sich.
-
wie Instantsuppe.
Ja, auch Bergfexe dürfen mal faul sein. Vor allem, wenn man nach einem anstrengenden Tag in der Wand oder im Wald zum Zelt oder Camper-Van zurückkommt. Wenn es schnell gehen muss und der Hungerast naht, kann schon der Geruch des sich im Wasser auflösenden Pulvers eine Wiederbelebungsmaßnahme sein.
-
wie Jagatee.
Wenn einen bei einer Wanderung der Regen überrascht hat und man endlich trocken werden darf und sich aufwärmen kann, ist der wohlriechende Jagatee noch das Tüpfelchen auf dem i.
-
wie Kaiserschmarrn.
Wir können uns darauf einigen, dass diesem Geruch niemand widerstehen kann, richtig?
-
wie Latschenkiefersalbe,
vor allem für strapazierte Muskeln eine Wohltat! Wer in der rauen Bergumgebung überleben kann, muss nahezu magische Stoffe produzieren. Im Fall der Latschen sind das ätherische Öle, die beim Menschen die Durchblutung fördern und dadurch bei Muskel- und Gelenkbeschwerden wärmend und entspannend wirken.
-
wie Moos,
das in der Morgensonne dampft.
-
wie Neutralisieren.
Nicht jeden Geruch möchte man riechen. Wie du zum Beispiel deine Bergschuhe ganz einfach mit ein paar Hausmitteln „entstinkst“, erfährst du hier.
-
wie Obst.
Gerade im Hoch- und Spätsommer zahlt sich eine Wanderung durch Weinberge oder Obstgärten für die Geruchsnerven aus. Marille, Apfel, Wein – die Nase hat die Qual der Wahl.
-
wie Pilze.
Wir finden ja, dass ihr feiner Geruch deutlich intensiver ausfallen könnte. Erstens, weil mit ihm das Bergsommergefühl erst komplett ist, und zweitens, weil sich die Schwammerlsuche etwas einfacher gestalten würde, könnte man sich dabei noch zusätzlich auf die Nase verlassen.
-
wie Quargel
oder auch Graukas/Graukäse. An diesem kalorienarmen Hüttenessen scheiden sich die Geister, Fans essen ihn am liebsten mit viel Zwiebel, gut gewürzt und mit naturtrübem Apfelessig. Achtung: Im Kühlschrank muss er gut eingepackt bleiben, damit der Geruch sich weiterhin auf den Käse selbst beschränkt
-
wie Regen
auf dem heißen Boden im Sommer. Aber bitte erst pünktlich nach der Wanderung!
-
wie Sonne auf Holz.
Man sitzt auf der Hütte, lässt sich die Sonne ins Gesicht scheinen, und immer wieder steigt einem dieser typische Geruch der Holzfassade, an der man sich anlehnt, in die Nase. Gibt es eine bessere Begleitung zur Brettljause?
-
wie Tannenzapfen & Tannenwipfe(r)l.
Oder der Wald so als Ganzes.
-
wie Uhudler.
Weil wir auch den kleinen Bergen – nämlich den Weinbergen im Burgenland eine Bühne geben wollen. Und weil der Uhudler in Geschmack und Duft an rote Beeren, zum Beispiel Walderdbeeren, erinnert.
-
wie Vergangenheit.
Man riecht eine bestimmte Sonnencreme oder ein Parfüm, und auf einmal ist im Kopf wieder 1994. Gerüche und Erinnerungen sind in unserem Gehirn eng verknüpft. Auch, wenn wir mal etwas Falsches gegessen haben. Dann bleibt diese Erinnerung nämlich auch haften, und somit passiert uns das wenigstens nicht wieder.
-
wie Wandersocken & Wanderschuhe.
Vielleicht nicht der beste Geruch, gehört aber auch dazu. Wenn nichts mehr hilft: Nach der Wanderung auf dem Balkon oder im Stiegenhaus stehen lassen – oder unter „N“ nachschlagen.
-
wie Zirbe.
Nicht umsonst gibt es mittlerweile allerlei nützliche duftende Produkte rund um Zirbenholz, der Geruch aktiviert den Parasympathikus, entspannt und fördert so Wohlbefinden, Schlafqualität und Gesundheit. Den dazugehörigen Schnaps sollte man aber auch nicht außer Acht lassen.
Schon gewusst? Zirben wachsen in den Ostalpen auf etwa 1.500 Metern, während sie in den Westalpen bis auf 2.680 Metern vorkommen. Trotz der unwirtlichen Umgebung werden sie 200 bis 400 Jahre alt!
Das Bergwelten-Magazin
Sechs Mal jährlich inspiriert das Outdoor-Magazin mit Berichten zu den Themen Hütten & Touren, Bergregionen & Menschen, Natur & Kultur, Sport & Ausrüstung und Mode & Lebensgefühl. Mit dem Bergwelten-Abo hast du das neueste Magazin pünktlich im Briefkasten – eine Prämie nach Wahl gibt’s gratis dazu.
Gleich Abo bestellen und profitieren.