Skitouren in Japan: Zwischen Powder und Vulkanen
Mark Buzinkay ist ein begeisterter Weltenbummler. Was nicht heißt, dass er auf Wintersport verzichtet. Den schönsten Powder, den man sich zum Skitourengehen vorstellen kann, fand er auf Hokkaido – der zweitgrößten Insel Japans.
Meine Begeisterung steigt von Augenblick zu Augenblick. Seit wenigen Minuten bin ich mit Aki im Hinterland von Otaru auf Hokkaido, Japan, mit den Skiern unterwegs. Immer wieder stochere ich links und rechts unserer selbst gewählten Spur. Unfassbar lockerer, tiefer Pulver. Als ich den Schnee mit meinem Stock etwas aufstöbere, schweben die Flocken als wären sie Daunenfedern, senken sich einige Meter hangabwärts wieder zum Boden.
Wir überqueren auf einer Brücke einen Bach. Die kleine Holzbrücke ist fast zwei Meter unter uns, dazwischen liegt – Schicht für Schicht und hartgepresst – der Schnee der letzten Wintermonate. Etwas später, beim Anstieg entlang eines steilen Rückens, kommt dieser feste Untergrund wieder zum Vorschein: darin legen wir die Spur an, denn der Hokkaido-Pulver lässt sich nicht formen. Endlich auf der Kuppe über dem lichten Wald angelangt – eine Anhöhe die Aki als „Eleven-Seven“ bezeichnet, weil sie 1.107 m Seehöhe aufweist – bin ich die Felle im Rekordtempo los und kann den Drop über die Wechte in unserer ersten Rinne des Tages kaum erwarten.
Wir fahren einzeln ab. Die Rinne ist steil und es liegt viel Schnee darin. Dennoch habe ich ein gutes Gefühl: das Gelände ist nicht eingeblasen, die Abfahrt führt durch den Wald. Die Ski nehmen schnell Geschwindigkeit auf – ich drehe mich ohne Widerstand, links, rechts, alles ohne Aufwand. Bald fahre ich ohne Zurückhaltung. Es ist schlicht unmöglich bei diesen Verhältnissen einen Fahrfehler zu machen. Ein Gefühl des Schwebens tritt ein – Bogen um Bogen – der Schnee trägt mich, trotz meiner „schmalen“ 90mm-Latten. Die 250 Höhenmeter sind schnell passé. Ich drehe ab, als ich Aki erreiche, grinse breit und bringe kaum ein Wort heraus. Aki weiß, was ich fühle. Und ich weiß, warum Hokkaido Pulver süchtig machen kann. Es ist der wahre Stoff.
Der Stoff, aus dem Skitouren-Träume gemacht sind
Aki und ich verbringen den ganzen Tag damit, jede einzelne Rinne in diesem Gebiet abzufahren. Die Zeit vergeht wie im Flug und ich bin ein wenig überrascht, dass wir niemandem begegnen. Es ist alles nur für uns. Eventuell liegt das an meinem Freund Aki, der den ganzen Winter auf Hokkaido als Skiführer tätig ist. Als solcher kennt er natürlich die besten Spots – für jede Wetterlage.
Am Ende des Tages sitzen wir entspannt im heißen Wasser eines nahe gelegenen Onsen (ein von natürlichen Quellen gespeistes Bad) , jeder eine Dose Bier in der Hand und die Berghänge im Blickwinkel. Es schneit wieder in dicken Flocken, ich könnte nicht glücklicher sein. Meistens führt Aki Stammgäste aus Tokyo, hin und wieder auch Australier und Amerikaner. Japaner haben es gerne mehrtägig von Hütte zu Hütte, die Westler lieben das Freeriden umso mehr.
Hokkaido ist unseren Breitengraden vor allem durch seine berühmten Skistationen wie Niseko, Rusutsu und Furano bekannt. Diese Zentren des japanischen Skilaufs bieten alles, was Skitouristen benötigen: die Liftanlagen sind modern, der Service ist zuvorkommend, englischsprachig und leistbar. Vor allem aber herrscht Schneesicherheit. Öffentliche Verkehrsmittel verbinden diese Zentren mit den wichtigsten Orten auf Hokkaido, ein Wechsel zwischen den Skiorten ist auch ohne eigenes (Miet-)Auto möglich. Ich besorge mir dennoch ein eigenes Fahrzeug, denn für Skitouren abseits der Skizentren benötigt es individuelle Mobilität.
Alternativen: Auf die Vulkane
Die Alternativen zu den touristischen Skibergen sind zahlreich und aufregend. Zum einen finden sich alle zehn bis fünfzehn Kilometer kleinere Skigebiete, die sich als Ausgangspunkt für Skitouren eignen. Das ist vor allem bei Schlechtwetter eine gute Option. Mich treibt es noch ein bisschen weiter abseits: auf die Vulkane, von denen es auf Hokkaido viele gibt. Einige sind aktiv und hin und wieder bekomme ich eine Ladung Schwefelgeruch ab – etwa auf meinem Weg zum Mt. Tokashi und zum höchsten Berg Hokkaidos, den Mt. Asahidake. Die windausgesetzten Hänge sind im oberen Bereich vereist und auch am Mt. Yotei und am Mt. Shiribetsu muss ich mit Harscheisen aufsteigen. Die Abfahrten sind zu Beginn entsprechend fordernd, aber spätestens ab der Baumgrenze gewohnt sanft.
Bento-Box für Abenteurer
Skitouren-Gehen auf Hokkaido ist wie eine Bento-Box: von allem gibt es etwas – wenige lange Vulkantouren, zahlreiche kurze Waldabfahrten im trockenen Pulver, Hüttentouren und Pistentage als Schlechtwetter-Option. Alles gewürzt mit einem wechselhaften Wetter bei winterlichen Temperaturen. Mit einem lokalen Führer bekomme ich Zugang zu Insiderwissen, aber auch solo machen Skitouren so richtig Spaß.
Die einzigartige Landschaft und der unglaubliche Hokkaido-Pulver sind ein wahrer Genuss – und Grund genug, diese Ecke der Welt bald wieder zu besuchen.
Infos und Adressen: Hokkaido, Japan
- Anreise: von Tokyo am günstigsten mit ANA Japan Experience Airfare nach Hokkaido/Sapporo.
- Skitouren-Anbieter: entweder direkt an den Skistationen (Skischulen bieten Touren meist in Kombination mit Liftticket an) oder individuelle, akkreditierte Skiführer.
- Visa: Österreichische, deutsche und Schweizer Staatsbürger können nach Japan für 90 Tage ohne Visa einreisen.
- Unterkünfte: in den Skiorten zahlreich, allerdings entsprechend teuer; Alternative: Auto anmieten und günstige Unterkunft etwas entfernt suchen.
- Restaurants: Schnellküchen gibt es überall, Snacks und warme Küche bekommt man auch preiswert in Lebensmittelgeschäften wie Seven-Eleven.
- Kommunikation: Englisch wird in Japan immer noch recht wenig verstanden, auch in den Städten. Mobilfunknetz ist sehr gut ausgebaut, WLAN oft frei erhältlich.
- Detaillierte Informationen zum Reisen und Skitouren: www.diy-expeditions.com