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Reise

Skitourengehen auf Sibirisch: Unterwegs im Russischen Altai

• 4. Dezember 2017
4 Min. Lesezeit
von Mark Buzinkay

Der Russische Altai am Frühlingsbeginn – das heißt Kälte, Einsamkeit und lauernde Gefahren, weiß unser Autor Mark Buzinkay. Aber auch längere Tage, recht stabiles Wetter und Hüttenabende mit viel Wodka. Skitourengehern eröffnet dieser wilde Teil Russlands unendliche Möglichkeiten.

Altai
Foto: Mark Buzinkay
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In langgezogenen Kehren steigen ich und mein Freund Kostya den Aktru-Gletscher hoch, die letzten Meter auf eine Passhöhe, die windausgesetzt Blicke über den Chiusky-Gebirgszug erlaubt.

Altai
Foto: Mark Buzinkay
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Wir sind seit drei Stunden unterwegs. In der Früh kitzelt die Kälte noch die Glieder, wir durchstreifen abseits unserer Hütte einen lichten Lärchenwald, der immer noch tief im Winterschlaf liegt. Der Schnee begräbt die Stämme, aber das Wasser des Baches hat bereits einige Lücken in das vereiste Dach des Bettes geschmolzen. Es ist unverkennbar – der Frühling wird in wenigen Wochen einsetzen. Derweil passieren wir die ersten Moränenhügel, große Felsboulder ragen aus der Schneedecke, andere lauern noch darunter. Auf der Abfahrt werden wir in dieser Passage besonders vorsichtig sein. Erst gestern habe ich einen Salto über so einen unsichtbaren Stein geschlagen – zum Glück ohne Folgen und als Warnung für die nächsten Touren.

Altai
Foto: Mark Buzinkay
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Aus der Entfernung vermittelt der Hang einen steilen, ja uneinnehmbaren Eindruck. Ich wundere mich über den Tourenvorschlag von Kostya, aber je näher wir an den Gletscher heranrücken, desto machbarer scheint der Hang, der sich immer noch gut tausend Höhenmeter in einem Stück vor uns aufbaut. Die Sonne fällt nun auf den Schnee, die Oberfläche glitzert und das bis jetzt wenig sichtbare Eis des Kleinen Aktru-Gletschers schimmert und blendet. Es beginnt eine Wegsuche zwischen den Schnee- und Eisfeldern. Weit oben stehen Séracs – Gletschereistürme – in ihrer hellblauen Farbe, mächtig und scheinbar unbewegt im ansonsten pulvrigen Hang. Der Schein trügt – sie können jederzeit einstürzen.

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Foto: Mark Buzinkay
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Am Ende des langen Hanges auf der besagten Passhöhe frischt der Wind auf. Wildschnee trübt uns ein. Das Plateau vor uns ist abgeblasen – es besteht aus einer riesigen Masse Eis, hart wie Beton. Mit unseren leichten Steigeisen und dem gewöhnlichen Gletscherpickel machen wir keinen Meter über eine kurze Wand. Wir nehmen die Felle ab und fahren in den Hang ein, zunächst vorsichtig, dann immer schneller und gewagter, jeder für sich und nicht am Seil. Der Schnee ist pulvrig, die Neigung steil, es trägt mich und im Rhythmus der Schwünge fällt alles von mir ab. An einigen Stellen halten wir kurz, um Atem zu holen und uns grinsend anzuschauen. Der Berg ist fantastisch, ein perfekter Tag im Süden Sibiriens.

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Altai
Foto: Mark Buzinkay
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In der Hütte wartet Slava schon mit einer Krautsuppe auf uns. Bärtig wie Kaiser Franz Josef und so russisch wie man nur sein kann: Gitarre, Wodka und den Schmäh immer bereit. Wir langen ordentlich zu, mit Nachtisch, Kaffee und allerlei belegten Broten sind wir schließlich zufrieden und genießen die letzten Sonnenstrahlen an der Hauswand mit einer Dose Bier in der Hand.
 
Ich blicke zum Berg hinauf und kann immer noch nicht glauben, dass dieser Hang so einfach befahrbar ist. Wir trinken aus und gehen eine Hütte weiter, direkt in die Banja, die russische Sauna, welche am Land immer noch fixer Bestandteil des täglichen Lebens ist. Es ist dunkel und heiß wie in einem Backofen, nach wenigen Minuten schwitze ich in Bächen, stürze hinaus in den Vorraum und weiter ins Freie, in den Schnee, der meinen Oberkörper und meine Beine kühlt. Als ich nach einer Weile wieder in den Vorraum zurückkehre, wartet Kostya schon mit wedelnden Büschen auf mich. Ich weiß, was das heißt, jetzt wird’s noch heißer.

Altai
Foto: Mark Buzinkay
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Wie Slava ist Kostya aus der „Gegend“, aus dem gut 700 Kilometer weit entfernten Barnaul. Aber das sind für Sibirien keine Entfernungen. Meistens führt er Skitouren am Elbrus, aber meine Anfrage nach dem russischen Altai hat ihn sofort überzeugt. Er weiß, wieviel Schnee hier liegt und wie einsam die Gegend ist. Kein Vergleich zum Elbrus. Wir gehen die Tourenvarianten für die nächsten Tage durch. Wir werden die Gletscher, Seitentäler und Pässe abklappern und wo es möglich ist, den einen oder anderen Gipfel erklimmen. Die Wettervorhersage ist fast schon langweilig: blauer Himmel und kaum Wind. Das hilft uns bei der Anreise aber wenig. Kaum haben wir die Hauptstraße verlassen geht es im Jeep nur mit wenigen Km/h vorwärts. Der Schnee liegt hoch, die Brücken sind unpassierbar und wir müssen oft halsbrecherisch das andere Ufer erreichen. Das Fahrzeug bleibt immer wieder stecken, aber unserer Fahrer nimmt es gelassen und telefoniert mit seiner Freundin, die ganze Fahrt über. Solange es ein Netz gibt.

Wie jeden Abend sitzen wir mit Slava in der Küche bei Tee und Schnaps, russische Rockmusik läuft im Hintergrund, es gibt Süßigkeiten für mich und Schweinespeck für die anderen. Sala, der ukrainische Speck, ist unheimlich beliebt und geht mit Zwiebeln als Sandwich auf jede Tour mit. Das Leben im sibirischen Altai ist einfach und ich mag es seit dem ersten Tag.

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Foto: Mark Buzinkay
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Infos und Adressen: Altai, Russland

Beste Skitourenzeit: März-April, evt. November. Alle anderen Wintermonate sind sehr kalt und die Tage sehr kurz.

Anreise: Flüge nach Sibirien gehen von Europa fast ausschließlich über Moskau. Aeroflot und S7 bieten hier das beste Netz, Skigepäck wird von beiden Fluglinien frei transportiert.
 
Visa: Für Russland ist vor der Ankunft ein Visum erforderlich; zahlreiche Unterlagen (u.a. Einladungsschreiben, Versicherungsbestätigung) sind notwendig.
 
Essen: Sehr preiswerte Restaurants mit guter Küche.
 
Kommunikation: Am Land kommt man mit Englisch nicht weit; Mobilfunknetz beschränkt sich auf Dörfer und Städte, weite Landstriche sind nicht abgedeckt. WLAN in den Städten oft verfügbar.
 
Detaillierte Informationen zum Reisen und Skitouren in Sibirien gibt es hier.
 

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