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David Lama: „Cerro Torre“, mein Lehrmeister

• 1. April 2016
2 Min. Lesezeit
von David Lama

David Lama erzählt, weshalb Scheitern für ihn Teil des Erfolgs ist und wie er diese Lehre aus dem Projekt „Cerro Torre“ zog. Der ganze Film ist übrigens ab sofort auf Redbull.tv zu sehen!

Patagonien: Cerro Torre
Foto: Corey Rich/Red Bull Content Pool
Der Cerro Torre (3.133 m) in Patagonien
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Niemand beginnt seine alpine Karriere in der Gipfelwand des Cerro Torre. Und doch bildete ich mir genau das ein. Als erfolgsverwöhnter Wettkampfkletterer erklärte ich im Jahr 2009 diesen 3.000 Meter hohen Granitzinken in Argentinien zu meinem nächsten Ziel. Minimale Felsstrukturen, sehr bescheidene Absicherungsmöglichkeiten und die Hexenküche des patagonischen Wetters: Das hatte schon ­einige Alpinisten vor mir scheitern oder ­ihre Ambitionen wieder verwerfen lassen.

Mir aber ging es nicht um irgendeine Besteigung: Ich wollte dem Torre gleich die erste freie Be­gehung seiner legendären „Kompressorroute“ abringen. Was es genau bedeutet, den Torre frei zu klettern und wie weit ich anfänglich vom Erfolg entfernt war, davon hatte ich damals keine Ahnung.

David Lama
Foto: Manuel Ferrigato
David Lama

Ganz objektiv betrachtet war meine erste Expedition zum Cerro Torre ein richtiger Flop. Ich kam im ersten Jahr nicht einmal in die Nähe des Gipfels, von Freiklettern konnte überhaupt keine Rede sein. Da ich den Mund sehr voll genommen hatte, erntete ich damals jede Menge Spott. Das schmerzte und machte mir schnell klar, dass ich jetzt genau zwei Möglichkeiten hatte: Ich konnte den Kopf in den Sand stecken und zum Sport­klettern zurückkehren. Dort hatte ich mein gewohntes Umfeld und würde keinesfalls nochmals so abblitzen. Oder - der für mich viel reizvollere Ansatz – ich konnte in die Analyse gehen und mich auf den Lernprozess, den ich selbst ins Rollen gebracht hatte, einlassen. Das würde wohl weitere Rückschläge mit sich bringen – so realistisch war ich mittlerweile. Ich sah dar­in aber die Chance, einen nächsten Schritt in meiner Entwicklung zu machen.

Scheitern ist gerade beim Klettern ein vertrauter Bestandteil des Prozesses. Ob beim Training in der Halle, beim Bouldern oder beim Sportklettern: Stürze oder fehlgeschlagene Versuche sind ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Ziel. Das gilt auch fürs klassische Bergsteigen, wobei man hier meist nicht so gefahrlos Limits überschreiten kann. Die vielen kleinen Projekte sind es dann auch, die das eigene Tun in seiner Gesamtheit weiterbringen. In dem Moment, wo wir aufhören zu probieren, wachsen wir nicht mehr.

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Nur um den „Erfolg“ zu garantieren, wird oft vom ambitionierten „Plan A“ zum einfacheren „Plan B“ gewechselt. Doch Erfolg bedeutet für mich nicht einfach nur den Gipfel eines Berges zu erreichen. Erfolg bedeutet für mich, dass ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde. Wenn wir uns so leichtfertig mit bescheideneren Zielen zufriedengeben, be­trügen wir uns nur selbst. Es ist der gelebte Mut zu scheitern, der den Unterschied macht!

Für mich selbst war das Projekt Cerro Torre rückblickend so wertvoll, weil es so weit außerhalb meiner eigenen Komfortzone stattfand und ich viel ­alpine Erfahrung nachholen konnte und musste. Lange Zeit war der ­Ausgang komplett offen. Erst als ich Strukturen im Fels entdeckte, war klar, dass die Route kletterbar ist. Es lag jetzt ­also an mir, aber auch an den passenden Verhältnissen. Drei Jahre sollte es dauern, bis ich ­meine Chance bekam. Und ich nützte sie. Mein Traum vom Cerro Torre wurde Wirklichkeit, weil ich bereit war zu scheitern und dabei nie aufgab.

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Regelmäßige Post von David Lama gibt es im Bergwelten Magazin. In der nächsten Ausgabe: Freundschaft.

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