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Let's go Kili

Kilimanjaro, Teil 3: Besuch beim Höhenmediziner

• 12. Februar 2018
3 Min. Lesezeit
von Klaus Haselböck

Tibeter müsste man sein, oder Äthiopier: Denn Bergbewohner haben es mit der Anpassung an die Höhe um vieles leichter. Kann für Flachländer aus Mitteleuropa eine Höhenkammer der Schlüssel zum Gipfelerfolg sein? Bergwelten-Chefredakteur Klaus Haselböck sprach während der Vorbereitung auf seine Kilimanjaro-Expedition mit dem Grazer Lungenfacharzt Dr. Wolfgang Domej über die Tücken des Sauerstoff-Mangels.

Dünne Luft: Am 5.895 Meter hohen Uhuru-Peak, dem Gipfel des Kilimanjaro
Foto: Sandra Baierl
Dünne Luft: Am 5.895 Meter hohen Uhuru-Peak, dem Gipfel des Kilimanjaro
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Bergwelten: Was passiert in unserem Körper, wenn wir auf hohe Berge steigen?

Dr. Wolfgang Domej: Je höher wir kommen, desto geringer ist der Sauerstoffdruck in der Luft. Am Meeresspiegel beträgt er noch 160 mmHg, auf 5.000 Meter Höhe etwa die Hälfte und am Gipfel des Mount Everest nur mehr ein Drittel. Für den Körper ist es eine zunehmende Herausforderung diesem Defizit zu begegnen: Die Systeme werden an den Sauerstoffmangel angepasst, wir atmen schneller, um eine ausreichende Menge Sauerstoff ins Blut zu bringen. Das Herz schlägt schneller und unser Kreislaufsystem wird angekurbelt. Die Höhe bedeutet Stress für den Körper. Ohne eine Zeit der Anpassung sind wir in solchen Höhen nur wenig leistungsfähig.

Wie verläuft die ideale Höhenanpassung?

Ideal wäre es bei einem Berg wie dem 5.895 Meter hohen Kilimanjaro für zwei Monate hinzufahren und sich in mittlerer und großer Höhe – also im Bereich von 2.000 bis 3.500 Metern – aufzuhalten. Dann wäre für die Besteigung bereits eine gewisse Vorakklimatisation da. Aber die Zeit hat halt niemand.

Eine grobe Richtlinie ist die Taktik „Nicht zu schnell zu hoch“. Also bewusst langsam zu gehen, tagsüber Höhenmeter zu machen, aber in der Nacht weiter unten zu schlafen. Wir akklimatisieren uns in Stufen am besten. So kann sich unser System auf die Belastung einstellen und die Sauerstoff-Versorgung optimieren.

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Bergsteigen als Wissenschaft: Dr. Wolfgang Domej (links) und Dr. Wolfram Müller sind profunde Kenner der Höhenmedizin
Foto: Wolfgang Domej
Bergsteigen als Wissenschaft: Dr. Wolfgang Domej (links) und Dr. Wolfram Müller sind profunde Kenner der Höhenmedizin

Ist Akklimatisierung schon vorab trainierbar?

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Seit einigen Jahren betreiben wir in Graz – im Rahmen des Instituts für Biophysik – eine Höhenkammer. Hier wird der Höhenreiz mit Hilfe von Generatoren, die den Sauerstoff durch Stickstoff dosiert ersetzen, erzeugt. Die Akklimatisierung beginnt auf 2.500 Meter – der Höhe, wo auch die ersten Beschwerden in Form von Kopfschmerz und Übelkeit auftreten können. Auf diese Weise ist eine Vorakklimatisierung bis maximal 5.500 Meter möglich. Jenseits davon ist der Sauerstoffmangel für den Körper zu dramatisch und immer mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Wie sind die Erfahrungswerte mit der Höhenkammer?

Wer die letzten vierzehn Tage vor einer Bergreise mindestens zwanzig Stunden – also zehn Einheiten – dort verbracht hat, steigert aus unserer Erfahrung seine Gipfelchancen deutlich und hat vor Ort seltener Probleme mit Übelkeit, Schwindelgefühlen oder Kopfschmerzen. Zum Sauerstoff-Mangel kommen bei so einer Tour aber noch andere Herausforderungen auf den Körper zu: Das Essen ist anders, das Klima ungewohnt und die Regeneration funktioniert meist auch nicht so gut wie zu Hause.

In der Grazer Höhenkammer kann unter Sauerstoff-Mangel auch gezielt trainiert werden
Foto: Wolfgang Domej
In der Grazer Höhenkammer kann unter Sauerstoff-Mangel auch gezielt trainiert werden

Wer hat die besten Chancen mit dem Sauerstoff-Mangel zu recht zu kommen?

Ganz klar Menschen, die aus Tibet, Nepal oder Äthiopien stammen und ihr Leben in den Bergen verbracht haben. Durch genetische Anpassung vertragen sie den Sauerstoff-Mangel optimal.

Und in Mitteleuropa?

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Da ist die Toleranz gegen den Sauerstoff-Mangel sehr unterschiedlich. Sie hat auf jeden Fall nichts damit zu tun wie gut man in Form oder wie alt man ist. Es kann auch ein Bergsteiger, der die Höhe immer gut vertragen hat, plötzlich Probleme bekommen. Zumeist  „erinnert“ sich der Körper an die frühere Bewegung in der Höhe. Auch wenn das schon einige Zeit her ist. Sicherheit gibt es da aber keine.

Lohnt sich eine körperliche Vorbereitung bei hohen Bergen dann überhaupt?

Natürlich! Wenn der Körper schon in der Ebene schlecht trainiert ist, dann kommt in der Höhe noch die geringere Leistungsfähigkeit, die ja für alle gilt, als zusätzliche Belastung dazu. Bei einer guten Vorbereitung arbeitet der Körper ökonomischer und ist somit auf die kommende Belastung besser eingestellt. Und auch für Notfälle kann es wichtig sein Reserven zu haben.

Was empfehlen Sie aus medizinischer Sicht sonst?

Vor der Reise sollte man sich gründlich vom Facharzt durchchecken lassen. Mit einer Ergometrie, einer Lungenfunktionsüberprüfung und einem Herz-Ultraschall sind die wichtigsten Parameter abgedeckt. Wenn man da „Grünes Licht“ bekommt, kann das Abenteuer beginnen.

Der 8.848 Meter hohe Mount Everest wird für die meisten seiner Besteiger nur durch künstlichen Sauerstoff möglich
Foto: mauritius images/ Peter Giovannini
Der 8.848 Meter hohe Mount Everest wird für die meisten seiner Besteiger nur durch künstlichen Sauerstoff möglich
  • Infos: Anmeldungen für Höhenkammer-Training: hypoxie@medunigraz.at, oder +43 316 380 39 21; eine Einheit (2 Stunden) kostet Euro 70 für zwei Personen.

Nächste Woche

  • Let´s go Kili – Teil 4: Packstress – die fünf wichtigsten Dinge für den großen Berg.

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