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5 Fragen an Bergmenschen

Ana Zirner: „Ich träume mehr denn je von der Weite“

• 7. April 2020
2 Min. Lesezeit
von Martin Foszczynski

Raus gehen, reisen, das Abenteuer suchen: Auf kaum jemanden trifft dieses Verlangen mehr zu, als auf Ana Zirner. Sie hat alleine die Alpen überquert, die Pyrenäen der Länge nach überschritten und ist dem Colorado-River 2.330 Kilometer trekkend und paddelnd vom Ursprung bis nach Mexiko gefolgt. Wie sie nun zuhause die Selbstisolation erlebt, verrät uns die Bloggerin und Autorin im Interview.

Ana Zirner Interview
Foto: Susanne Schneider
Ana Zirner liebt das Draußensein - wie hier während ihrer Solo-Alpenüberquerung im Wallis
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Bergwelten: Wo bist du gerade?

Ich sitze in der Hängematte auf meinem Balkon in Oberaudorf südlich von Rosenheim und schaue auf den frisch verschneiten Wilden Kaiser. Glücklicherweise bin ich im Februar aus München weggezogen und dafür bin ich jetzt jeden Tag umso dankbarer.

Wie gestaltet sich nun dein alltägliches Leben?

Bis vor ein paar Tagen war ich noch mit meinem neuen Buch „RIVERTIME“ beschäftigt, das im Herbst herauskommt und meine Abenteuer-Reise entlang des Colorado Rivers erzählt. Aber das liegt jetzt erstmal im Lektorat. In der letzten Phase war ich für die erzwungene Ruhe ehrlich gesagt ganz dankbar. Jetzt könnte es langsam langweiliger werden, aber es gibt ja so viele Dinge, die man sonst immer vor sich herschiebt, weil man „keine Zeit“ dafür hat. Warum nicht jetzt schon die Steuererklärung machen? Dann hat man die später, wenn wir wieder raus dürfen, nicht mehr im Nacken sitzen.

Ana Zirner schickt uns Hängematten-Grüße von Zuhause

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Wie holst du dir die Berge nach Hause?

Das Schöne am Schreiben ist ja, dass ich dabei mental meine Reise einfach nochmal mache. Die letzten Wochen waren also durchaus voller Berge, Wasser und Wüste. In meiner Erinnerung bin ich durch die magische Stille der tief verschneiten Rocky Mountains gestapft, bin in meinem Packraft durch wilde Stromschnellen im Grand Canyon gerauscht oder wurde von der geheimnisvollen Tiefe der Wüste in Trance versetzt. Ich bin nackt von Klippen gesprungen, um konservative Amis in Motorbooten zu schockieren, habe mit Klapperschlangen geschnackt und gelernt, warum die Erde eine Scheibe ist. Alles zu Hause am Computer.

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Wie hältst du deinen Körper und Geist gerade fit?

Das Schreiben und die Recherche für meine nächste Expedition halten den Geist in Bewegung. Mein Körper kriegt davon gerade weniger, als er will. Aber das liegt nicht an Corona, sondern an der Schreibphase. Ganz ohne geht natürlich nicht, da würde ich durchdrehen. Mein tägliches Yoga mache ich sowieso daheim, und ich gehe auch raus in die Berge, die bei mir ja glücklicherweise vor der Haustür liegen. Bisher waren es halt eher kurze Trainingseinheiten, da bin ich eh gern allein unterwegs. Seltsam ist allerdings, dass der Wilde Kaiser, sonst mein Hausberg, plötzlich im „unerreichbaren Ausland“ Österreich liegt.

Ana Zirner: So geht Haarewaschen im Colorado River (USA)

Wovon träumst du, wenn du an die Berge und die Natur denkst?

Von Weite. Davon, bis zum Horizont zu gucken und zu wissen, dass ich einfach loslaufen kann, und nie aufhören muss. Davon träume ich jetzt umso mehr, weil ich spüre, wie eng alles geworden ist. Nicht nur Ausgangssperren und geschlossene Staatsgrenzen, sondern das, was vielerorts auch menschlich passiert. Ich meine nicht das notwendige social distancing, sondern, dass so viele Leute und Länder nur an sich denken. Dass sich dieses Virus so schnell verbreitet hat, und wie unterschiedlich unsere Chancen sind es zu überleben (Stichwort überfüllte Flüchtlingslager), zeigt ja auch, wie abhängig und vernetzt wir auf dieser Erde sind. Ich wünsche mir – oder träume davon – dass wir diese Zeit, anstatt nur Angst zu haben, als Inspiration dafür nehmen, globaler und solidarischer zu denken und zu handeln.

Ana Zirner hat von mehreren ihrer Expeditionen auf Bergwelten.com berichtet – hier könnt ihr ihre Blog-Beiträge nachlesen:

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    Vor ihrem Colorado-Abenteuer haben wir Ana zum Interview gebeten – darin spricht sie auch von Einsamkeit und warum sie manchmal ein Geschenk ist. Hier nachzulesen:

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